25.11.2011 - Doppelveranstaltung bei "Donauschwäbische Kulturstiftung", München
Bericht von Werner Harasym, DKS München
mit Prof. Manfred Kittel und Dr. Tvrtko Sojcic
Rund 60 Besucher waren am Freitag, dem 25. November 2011 zur Doppelveranstaltung der Donauschwäbischen Kulturstiftung (DKS) ins Münchner Haus des Deutschen Ostens (HDO) gekommen. Darunter viele Interessierte, die eine weite Anreise auf sich genommen hatten. Aus Belgrad war Prof. Zoran Ziletic erschienen, aus Budapest der bekannte ungarische Historiker Dr. Krisztian Ungvary und aus Tübingen Dr. Mathias Beer, Leiter des Forschungsbereichs Zeitgeschichte am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde. Zudem befanden sich unter den Zuhörern neben dem kompletten Vorstand der Donauschwäbischen Kulturstiftung der ehemalige Präsident des Bayerischen Landtags, Johann Böhm, sowie die Landesvorsitzenden der Landsmannschaft der Donauschwaben aus Oberösterreich und Bayern: Anton Ellmer und Hermann Schuster.
Letzterer hatte das Symposium „Die Donauschwaben und die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ initiiert, das der Bundesvorstand der Landsmannschaft der Donauschwaben in Zusammenarbeit mit der Donauschwäbischen Kulturstiftung und dem HDO am Nachmittag ausrichtete. Als Referenten traten Prof. Dr. Georg Wildmann (donauschwäbischer Historiker, Linz), der donauschwäbische Schriftsteller Stefan Barth (Erlangen), Prof. Dr. Manfred Kittel (Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Berlin) und MdB Stephan Mayer (Mitglied des Stiftungsrates, Berlin) in Erscheinung.
Dr. Ortfried Kotzian (links), Direktor des HDO, führt in sThema ein - am Tich von links nach rechts Prof. Dr. Wildmann, Stefan Barth, Prof. Kittel. - Foto: JürgenSchneider
Prof. Wildmann, Beirat der Donauschwäbischen Kulturstiftung sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, sprach über „Die Verbrechen an den Donauschwaben in der kommunistischen Zeit Jugoslawiens“. Dabei verwies er auf die rund 1000 Morde bei Partisanenüberfällen in den donauschwäbischen Dörfern zwischen 1941 und 1944, die Erschießungen im blutigen Herbst 1944, die Lagertoten von 1944 bis 1948 und die tragischen Kinderschicksale. Gerade die Kleinkinder wiesen in den Lagern eine hohe Sterblichkeitsrate auf. Unter dem Link http://www.totenbuch-donauschwaben.at/ ist das Totenbuch der Donauschwaben aufrufbar. Dort sind weit über 60 000 tote Donauschwaben registriert. Da nun doch immer wieder Unterlagen über die ermordeten und in den Lagern verstorbenen Deutschen auftauchen, zeige sich – so Wildmann – wie genau die Donauschwäbische Kulturstiftung in den 1990er Jahren bei der Erstellung der vierbändigen und 4000 Seiten umfassenden Dokumentation „Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien“ (siehe Publikationen) gearbeitet hat.
Den verhinderten Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Donauschwaben, Hans Supritz, vertrat Stefan Barth. „Maßnahmen der Donauschwaben im Sinne einer tragfähigen Versöhnung“ lautete dessen Thema. Barth stellte klar, dass an eine Versöhnung nicht zu denken war, so lange der jugoslawische Diktator Tito lebte. Ende der 1980er Jahre gab es dann erste Kontakte, als Donauschwaben in ihre Heimat fuhren und die Gräber ihrer Angehörigen besuchten. Inzwischen gäbe es „bis auf wenige Ausnahmen“ (Barth) Gedenkstätten an den Orten der 70 Lager. „Diese Gedenkstätten wurden im Einvernehmen mit der dortigen Bevölkerung errichtet“, betonte Barth, der übrigens einen Tag später zum Vize-Präsidenten der Donauschwäbischen Kulturstiftung gewählt wurde. Zu bemängeln sei hingegen, dass die vor einigen Jahren errichtete Enquete Kommission des Parlaments der Autonomen Provinz der Vojvodina zur Aufklärung der Verbrechen in den Jahren 1941 bis 1948 in ihren Forschungen behindert wurde. „Selbst Wissenschaftler erhielten keinen Zugang zu allen Archiven“, berichtete Barth. Inzwischen gibt es auf Drängen der serbischen Bevölkerung – die Zahl der Serben, die dem kommunistischen Terror erlagen, ist noch höher als die der Donauschwaben – eine staatliche Kommission zur Auffindung und Kennzeichnung der Massengräber in der Vojvodina. Dabei wird offenbar, dass noch erstaunlich viele Unterlagen existieren. Beim Abgleich der Zahlen – das versicherte Zuzana Mezei, Mitglied der staatlichen Kommission, jüngst im Oktober 2011 – würde die Leidensweg-Dokumentation der Donauschwäbischen Kulturstiftung als wertvolle Quelle herangezogen.
"Spezifische Form der ethnischen Säuberung deutlich machen" - Prof. Dr. Manfred Kittel - Foto: Jürgen Schneider
Zum Konzept der Dauerausstellung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin referierte Stiftungsdirektor Prof. Dr. Manfred Kittel. Dabei widersprach er zunächst dem in der veröffentlichten Meinung häufig vermittelten Eindruck, es handle sich dabei um eine deutsch-polnische Einrichtung. „Natürlich ist das Thema viel breiter gefasst“, so Kittel. Die Dauerausstellung wird sich auf einen Raum von 1800 Quadratmetern erstrecken, außerdem stehen für Wechselausstellungen 500 Quadratmeter zur Verfügung. Ebenfalls geplant sind Veranstaltungen und Tagungen. Was die Donauschwaben betrifft, so solle „die spezifische und besondere Form der ethnischen Säuberung“ (Kittel) deutlich gemacht werden und zwar am Beispiel der Internierung in Lagern wie Rudolfsgnad, Gakowa oder Jarek. „Eines ist sicher: es war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, hielt Kittel fest.
Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer setzt sich für einen Raum der Stille ein - li. Prof. Dr. Wildmann, re. Barth, Prof. Kittel - Foto: Jürgen Schneider
Direkt von der namentlichen Abstimmung anlässlich der Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2012 im Deutschen Bundestag kam MdB Stephan Mayer zum Symposium. Als Präsidiumsmitglied des Bundes der Vertriebenen, erster stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vertriebene und Flüchtlinge der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie Mitglied des Stiftungsrates liegt Mayer die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung besonders am Herzen. Mit Blick auf den Stiftungsdirektor erklärte der Enkel einer Sudetendeutschen: „Herr Prof. Kittel, Sie leisten hervorragende Arbeit.“ Mayer verriet zudem, dass im Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof, dem Ort der Dauerausstellung, ein Raum der Stille geplant ist, an dem die Angehörigen der Vertriebenen ihrer Toten und der verlorenen Heimat gedenken können.
Dr. Tvrtko Sojcic sprach völlig frei ohne Manuskript - Foto: Jürgen Schneider
Im Anschluss an dieses Symposium richtete die Donauschwäbische Kulturstiftung eine Abendveranstaltung aus, in dessen Rahmen der Historiker Dr. Tvrtko Sojcic „Titos Mythen über die Donauschwaben“ ins Visier nahm. Der in Deutschland lebende Autor mit kroatischem Hintergrund hatte in seiner Dissertation (mehr hierzu im „Archiv Neuerscheinungen“ unter Tvrtko P. Sojcic: Die Lösung der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945" ) die kommunistische Propaganda des Tito-Jugoslawien aufgedeckt und zugleich deutlich gemacht, in welch erschreckendem Ausmaße die wissenschaftliche Literatur noch heute davon geprägt ist. Dr. Sojcic arbeitete in seinem mitreißenden Vortrag - für den er großen Applaus erntete - heraus, dass sich bereits zu Beginn des nach dem Ersten Weltkrieg errichteten Jugoslawien bei allen nicht-serbischen Völkern Widerstand gegen die serbische Hegemonie bemerkbar machte. So waren beispielsweise sämtliche 121 Kommandeure des jugoslawischen Militärs Serben, zudem wurde der serbische Dinar zur österreichischen Krone im Verhältnis von 1:1 umgetauscht, obwohl das Geld der bislang zur Habsburgermonarchie gehörenden Slowenen und Kroaten drei Mal so viel Wert gewesen war. „Das kam einer 75-prozentigen Enteignung der bisher zu Österreich-Ungarn gehörenden Personen beziehungsweise einer 300-prozentigen Aufwertung in Serbien gleich“, berechnete Sojcic, der außerdem den Steuertransfer als Grund für eine starke Verbitterung und Unzufriedenheit ausmachte, in besonderem Maße bei den Kroaten.
Strukturierte Schautafeln lockerten den Vortrag auf - Foto: Jürgen Schneider
Die Donauschwaben hingegen verfügten zwar über den Schwäbisch-Deutschen Kulturbund, der allerdings bis 1938 einen Organisationsgrad von gerade einmal zehn Prozent aufwies, sich in den 1920er Jahren apolitisch verhielt und lediglich die deutsche Identität in den Vordergrund rückte. Zwischen 1938 und 1941 sollte sich das ändern, unter dem Einfluss des Nationalsozialismus waren plötzlich 95 Prozent der Donauschwaben im Schwäbisch-Deutschen Kulturbund organisiert. „Den Leuten war nicht bewusst, was sich im Deutschen Reich abspielte. Sie hatten ein idealistisches Deutschlandbild“, widersprach Sojcic der titoistischen Propaganda, wonach alle Donauschwaben, welche die Entwicklung im Deutschen Reich mit Sympathie verfolgten, überzeugte Nationalsozialisten gewesen wären. Diese Sichtweise teilt auch Dr. Carl Bethke vom Lehrstuhl für ost- und südosteuropäische Geschichte an der Universität Leipzig, wenn er in seinem Aufsatz „Die Deutschen der Vojvodina, 1918 bis 1941“ zum Ausstellungskatalog „Daheim an der Donau.- Novi Sad, Ulm 2009“ auf Seite 201 schreibt:
„Dass der Nationalsozialismus auch bei den Deutschen der Vojvodina Anklang fand, hatte eine Vielzahl von Gründen. Zum Konzept des Kulturbundes gehörte grundsätzlich eine fast unhinterfragbare Identifikation mit dem als solchen antizipierten „Mutterland' Deutschland. Diese Loyalität hatte der Weimarer Republik ebenso gegolten wie dem Dritten Reich.“
Dennoch folgten beim Jugoslawien-Feldzug im April 1941 rund 80 Prozent der Donauschwaben loyal der Einberufung zum Militär des Königreichs, während es auf slawischer Seite nur 60 Prozent waren. Und das, obwohl „dieser Staat im Zerfall begriffen war“ (Sojcic). Die nun erfolgte Bildung des Ortsschutzes in den donauschwäbischen Dörfern interpretierte Sojcic angesichts des drohenden Chaoses und der marodierenden Soldaten als realpolitische Notwendigkeit. Die Entwaffnung von Angehörigen der jugoslawischen Armee habe der Deeskalation gedient. Einzig die Besetzung des Militärflughafens in Semlin habe das Kriterium des Hochverrates erfüllt. „Und genau dieser Einzelfall wird immer zitiert“, gab Sojcic zu bedenken, ehe er zu seinem Fazit ansetzte: „Die Deutschen waren für alles schuld. Das hatte allerdings handfeste ökonomische Kalküle wie beispielsweise die Belohnung der Partisanenkämpfer. Dem Morden wurde freien Lauf gelassen. Die Tragödie der Donauschwaben ist, dass sie als kleine Minderheit in ein Getriebe geraten sind.“