ENGEL AUSTRIA GmbH - Irene und Georg Schwarz
Vor dem Beginn des Familienunternehmens Engel mit dem Hauptsitz im oberösterreichischen Schwertberg, das heute eine weltweit führende Position bei der Herstellung von Kunststoff-Spritzgießmaschinen einnimmt, stand das Ende einer Geschichte von Flucht und Heimatverlust einer Donauschwaben-Familie.
Es war Oktober 1944 als Hr. Ludwig Engel, zusammen mit seiner Gattin Elisabeth, Tochter Irene und weiteren Verwandten die Flucht nach Westen antreten musste. Nach mehreren Zwischenstationen in Lagern in Wien und Korneuburg war im Dezember 1944 Endstation im Bahnhof Schwertberg. Der Zug fuhr einfach nicht weiter. Man musste aussteigen und bleiben – man blieb bis heute und schlug neue Wurzeln.
Ursprünglich stammten die „Engel“ aus Neu Werbass (heute Novi-Vrbas) in der Batschka. Dort wurde auch zu Weihnachten 1929 Tochter Irene geboren wurde. Hr. Engel arbeitete für Wagner Biro in Belgrad beim Bau der Bühnentechnik in der Oper, wo er danach zum Technischen Direktor avancierte. Die Familie zog ebenfalls nach Belgrad nach. Dort absolvierte Tochter Irene die deutsche Volks- und Bürgerschule. Ende der 30iger-Jahre wagte Hr. Engel den Schritt in die Selbständigkeit und gründete einen Maschinenbaubetrieb. Das Ende der gesicherten Existenz kam mit dem Vorrücken der Ostfront.
In Schwertberg angekommen, hatte man zuerst die Endphase des Krieges zu überstehen. Beschäftigung gab es für den Vater in den technischen Werkstätten der Wehrmacht. Durch glückliche Umstände konnten sogar einige eigene Maschinen mit nach Schwertberg gerettet werden – die dann aber noch vor Ende 1945 durch Reparationsforderungen der russischen Autoritäten enteignet und nach Jugoslawien rückgeführt wurden.
Trotzdem gelang es Herrn Engel nochmals neu zu beginnen. Nicht zuletzt seine Kenntnisse slawischer Sprachen und seine Kontaktstärke waren die Basis dafür. Letztendlich konnte wieder eine kleine Reparaturwerkstätte gegründet werden – und zu reparieren war wahrlich viel in dieser Zeit.
Von der Gründung des Unternehmens an wirkt Tochter Irene als rechte Hand des Vaters in der kommerziellen Abwicklung mit. Buchhaltung und Finanzen sind Ihr Verantwortungs-bereich – und sollten es für die nächsten 60 Jahre auch bleiben. Aus dieser mechanischen Werkstätte entwickelte sich nach und nach eine Maschinenbaufirma, die immer höher qualifizierte Maschinenbauteile fertigen konnte. Mit Improvisationstalent wurden bald auch große Teile, wie Komponenten für Walzwerke oder Seilbahnen hergestellt. 1948 sind bereits 30 Mitarbeiter bei Engel beschäftigt.
Im Jahre 1951 heiratet Irene Engel Herrn Georg Schwarz, ebenfalls einen Donauschwaben, der eine ähnliche Familiengeschichte von Flucht und Vertreibung hinter sich hatte.
Hr. Georg Schwarz wurde am 18. Februar 1928 in Essegg (heute Osijek) in Kroatien geboren. Nach Volks-, Hauptschule und Gymnasium kam die Flucht. 1944 kam er mit einem Transport ins nördliche Sudetenland nach Reichenberg (heute Liberec, Tschechien), wo er am Realgymnasium maturierte. Nach Kriegsende musste auch diese neue Heimat ebenfalls verlassen werden.
Ende 1945 kam Herr Georg Schwarz mit seiner Familie nach Österreich. Dort besuchte er die dreijährige Fachschule für Maschinenbau an der HTL-Linz und parallel dazu absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser bis zur Meisterprüfung. 1951 trat Hr. Georg Schwarz in den Betrieb des Schwiegervaters als Produktionsleiter ein und durchlief sukzessive alle Stationen im Betrieb.
Der Ehe mit Irene Engel entstammen die beiden Töchter Birgitte und Helga.
Nachdem in den ersten Jahren des Bestehens die Firma Engel den Maschinenbau vor allem als Lohnfertiger und Sublieferant größerer Maschinenbauunternehmen betrieb, kamen ab 1948 erste Bakelitpressen ins Fertigungsprogramm. Später wurde ein bestehender Bakelit-Pressbetrieb übernommen. Damit wurde die Grundlage für die Konzentration auf die damals noch junge Sparte der Kunststoff-Verarbeitungsmaschinen gelegt. Der Bedarf stieg ständig, sodass ab 1955 die Serienfertigung von Spritzgießmaschinen aufgenommen werden konnte. Gleichzeitig wurden erste Exportaktivitäten gestartet.
Nach dem Tod ihres Vaters 1965 übernimmt Frau Irene Schwarz gemeinsam mit Ihrem Ehegatten KR Georg Schwarz die Geschäftsleitung der Ludwig Engel KG mit damals ca. 438 Mitarbeitern und 120 Mio. ATS Umsatz.
Mit der zunehmenden Verwendung von Kunststoffteilen und dem Bedarf an Kunststoff- Spritzgießmaschinen wurde sowohl die Produktion, als auch das Vertriebsnetz unter der Führung der Unternehmenfamilie Schwarz stetig ausgebaut – und gebaut wurde buchstäblich immer. Das Stammwerk Schwertberg wuchs zum Industriebetrieb heran.
1977 wurde in Guelph / Ontario–Kanada das erste Auslandswerk gegründet.
In Österreich wurden 1986 und 1988 mit dem Start der Zweigwerke in Steyr/Münichholz und St. Valentin das Angebot um Linearroboter und Großmaschinen erweitert und wichtige Schritte in Richtung Marktführerschaft unternommen. 1998 mußte das Roboterwerk wegen der stark steigenden Nachfrage in einen Werksneubau nach Dietach bei Steyr übersiedeln.
Ab 1989 wurden Engel Großmaschinen auch in den USA in York / Pennsylvania hergestellt.
Mit der Entscheidung zum Bau eines Werkes für kleine und mittlere Spritzgießmaschinen in Südkorea verfügt Engel als erste Firma in der Branche über Produktionswerke in 3 Erdteilen. Diese Strategie wird derzeit durch den Bau eines Großmaschinenwerkes in Shanghai in der Volksrepublik China konsequent fortgesetzt.
Die Produktionswerke werden durch ein weltweites Netzwerk an eigenen Tochterfirmen und Vertretungen für Verkauf und Service in mehr als 70 Ländern ergänzt.
1997 übergab das Ehepaar Schwarz die operativen Geschäfte des Unternehmens an die nächste Generation. Dr. Peter Neumann, der Gatte von Tochter Mag. Helga Neumann, führt mit einem Team von Geschäftsführern die operativen Gesellschaften. Tochter Dr. Birgitte Engleder ist in der Geschäftsführung der Besitzgesellschaften - und die vierte Generation befindet sich derzeit in Ausbildung.
Die Mitarbeiterzahl der ENGEL-Firmengruppe ist auf aktuell über 3.300 angewachsen, der konsolidierte Konzernumsatz betrug im letzten Geschäftsjahr (2004/05) 586 Mio. Euro. Über 94 % der Erzeugnisse gehen in den Export.
Für ihr umsichtiges und erfolgreiches Wirken zum Ausbau des einfachen Reparaturbetriebes einer Donauschwabenfamilie zum Weltmarktführer für Spritzgießmaschinen wurden sowohl Fr. Irene Schwarz, als auch Hr. Georg Schwarz mit zahlreichen Auszeichnungen von Universitäten und staatlichen Stellen verliehen.
Auch die schweren Zeiten nach der Flutkatastrophe von 2002, bei der die gesamte Einrichtung des Stammwerks Schwertberg durch zwei zeitlich knapp hintereinander liegende Überflutungen weitgehend zerstört wurden, konnten durch umsichtiges Handeln und die gesunde Finanzstruktur des Unternehmens in relativ kurzer Zeit überwunden werden.
An den Abschluss wollen wir ein Originalzitat von Fr. Irene Schwarz stellen:
„Obwohl nichts den Verlust der Heimat und der eigenen Wurzeln ersetzen kann, sind wir in der Rückschau froh und zufrieden, in Österreich eine so gute und schöne neue Heimat gefunden zu haben.“