DI Rudolf Reimann
Eine tragende Säule in turbulenter Zeit
26 Jahre Präsidentschaft im VLÖ und 36 Jahre Vorsitz in der DAG
Rudolf Reimann war am 9. April 1934 in Neusatz, heute Novi Sad in Serbien, vormals Südungarn, zur Welt gekommen. Mit Schwester Hedwig und den Eltern Rosalia Margarete Nagl, gebürtig aus Eggenburg in Niederösterreich und Ing. Valentin Reimann, der in Neusatz eine Baufirma, eine chemische Baustofffabrik und Baustoffhandlung besaß, flüchtete er zunächst nach Budapest, dann nach Eggenburg. Er besuchte des Stiftsgymnasium Melk und inskribierte nach der Reifeprüfung an der Technischen Hochschule in Wien für Bauingenieurwesen und praktizierte dazu in den Firmen seines Vaters. Er trat auch der katholischen Verbindung Saxo Bavaria Prag, die zum CV gehört, bei. Der Landeshauptmann von Oberösterreich, Heinrich Gleißner, der gleichen Verbindung zugehörig, weckte in ihm das Interesse für die ÖVP. Karl Schleinzer, Bundesparteiobmann der ÖVP, wollte ihn als Vertreter der Heimatvertriebenen ins Parlament holen, doch wurde Rudolf auf der Liste auf aussichtslose Stelle zurückgereiht. Verärgert verließ er das politische Geschäft.
Als Mitarbeiter seines Vaters begann er sich auch mit der Not seiner Landsleute auseinanderzusetzen. Zunächst wurde er Obmann des Schwabenvereins für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, als solcher war er auch mitführend in der DAG. Als sein Vater 1983 zurücktrat, wurde Rudolf Vizepräsident des VLÖ und gleichzeitig Vorsitzender der DAG.
Haus der Heimat
Josef Koch und Rudolf Reimann entwickelte den Gedanken, ein Kulturzentrum in einem eigenen „Haus der Heimat“ zu schaffen. Koch verstarb plötzlich und der Karpatendeutsche Hannes Rest wurde im Juli 1986 neuer Vorsitzender des VLÖ. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 stieg das Wohlwollen der Bundesregierung den Heimatvertriebenen gegenüber. Vermögenswerte von über 150 Millionen Schilling waren durch das Wegsterben sudetendeutscher Eigentümer nach dem Krieg und der Sparguthaben altösterreichischer im Krieg Verstorbener an das Finanzministerium gefallen. So entschloss sich das Kabinett Vranitzky zum Ankauf des Gebäudes in der Steingasse 40 Millionen Schilling beizutragen. Nach Rücktritt von Hannes Rest wurde nun am 20. Februar 1993 Rudolf Reimann Vorsitzender des VLÖ. Er löste nach dem Tode seines Vaters seine Baufirmen auf und widmete sich nur mehr der Arbeit für die Landsmannschaften. Er organisierte im Wesentlichen den Umbau und die Adaptierung des Gebäudes in der Steingasse 25 im 3. Bezirk. 20 Mio trug die Stadt Wien bei und die Heimatvertriebenen spendeten 5 Mio Schilling. Das effektive Kulturprogramm setzte mit Beginn 1997 ein: Das Haus sollte Kultur-, Begegnungs-, Informations- und Forschungsstätte der Altösterreicher deutscher Muttersprache sein.
Forderung nach Aufhebung der Benesdekrete und AVNOJ-Beschlüsse
Als sein politisches Hauptziel forderte der VLÖ im Oktober und November 1999 das österreichische Parlament und die Landesregierung sowie die Bundesregierung auf, in Entschließungen und in Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten der EU, an Tschechien und die Slowakei die Forderung nach Aufhebung der Benešdekrete und an die Nachfolgestaaten Jugoslawiens die Forderung nach Aufhebung der AVNOJ-Beschlüsse zu richten. Dem diente auch die offenbar ergebnislose Vorsprache der VLÖ-Vertreter bei EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen am 16.11.2000.
"Felix-Ermacora-Institut"
Für seine Kulturpolitik gründete der VLÖ im November 1998 das „Felix-Ermacora-Institut“. Dieses bot 1999 und 2000 Seminare „Deutsch als Fremdsprache“ für Deutschlehrer aus Ungarn und Kroatien an. Die Initiative hätte Fortsetzung verdient. Er gab eine Buchreihe von sechs Bänden heraus, die wichtige Vorträge festhielten, auch hier wäre Kontinuität wünschenswert gewesen. Zwei Filme, einen über die Vertreibung allgemein und einen zur Vertreibung der Sudetendeutschen, für die Schulen mit entsprechenden Lehrerhandbüchern kamen heraus. Die schulpolitische Initiative fand 2014 Fortsetzung durch eine fünfteilige Serie in ORF III über die Heimatvertriebenen ihre Fortsetzung. Entscheidend war die fachkompetente Mitarbeit von Dr. Peter Wassertheurer und der Einbezug der Historiker Dr. Suppan und Dr. Karner. Das Felix-Ermacora-Institut, das bis 2010 bestand, scheiterte aber an einem von der Nationalbank ausgeschriebenen Forschungsprojekt, weil es keine Endberichte liefern konnte. Reimann forcierte, soweit ersichtlich, auch die Errichtung der vorgesehenen Zentralbibliothek und eines Zentralarchivs, so dass man im Haus der Heimat auch eine gezielte Forschungsarbeit wird betreiben können.
Stiftung der deutschsprachigen Heimatvertriebenen
2002 errichteten Regierung, Parlament und Bundesländer die Stiftung der deutschsprachigen Heimatvertriebenen in einem Stiftungsbrief von 100 Mio Schilling, damit die Verbände ihre Leistungen in Erinnerungskultur, Forschung und „Brückenbau“ zu den Verbänden der alten Heimatländer leisten könnten. Mit dieser Stiftung, die nur durch ihre Zinserträge für Projekte zur Verfügung steht, erklärten sich Staat und Bundesländer den Verbänden gegenüber aller weiteren finanziellen Verpflichtungen enthoben.
Gedenkstätten-Errichtung
Reimann und der Weltdachverband organisierten die Spendenaktionen und die Kontaktnahmen bezüglich Errichtung der Gedenkstätten auf den Totenfeldern der Lager Valpovo 2003 und Gakowa sowie Kurschiwl 2004.
Volksgruppensymposien und Rehabilitation
Die wohl intensivste Aktion war die jährliche Veranstaltung der Volksgruppensymposien mit den deutschen Minderheiten in den Nachbarstaaten. Schließlich hielt Reimann auch ständigen Kontakt mit den Beamten des Außenministeriums, da es um die Rehabilitation und Restitutionsgesetzte der Staaten Ungarn, Rumänien, Kroatien und Serbien ging.
Bei der Generalversammlung der DAG am 24.10.2019 ist Reimann von seinem Amt zurückgetreten. Rudolf Reimann war eine „tragende Säule“ der DAG in turbulenter Zeit.
Dr. Georg Wildmann