VON ELSASS-LOTHRINGEN IN DAS BANAT - AUF DEN SPUREN UNSERER VORFAHREN-
Reisebericht von Peter MICHL:
Teil I - vom 18. – 23. August 2009
18. August 2009. Wir sind auf der Autobahn unterwegs. Wir, das sind mein Cousin Josef Unhold, sein Bruder Michael und ich als Chauffeur und Reiseorganisator. Kurz vor Regensburg gibt es einen Stau und so fahren wir auf der Bundesstraße ins Stadtzentrum von Regensburg. Die alte steinerne Brücke über die Donau mit ihren 16 Bögen war unsere erste Station. Hier sind unsere Vorfahren mit der Ulmer Schachtel vorbeigekommen. Es gab keinen anderen Weg. Kurze Besichtigung des Doms und der Altstadt.
Dann ging es weiter über Stuttgart, Karlsruhe nach Pirmasens. Stadt der "Schlapperflicker" sagen die Einheimischen. Hier hatte ich für zwei Nächte die Zimmer bestellt.
Noch am 1. Tag besuchten wir den Ort Bitche ca. 25 km südlich, im Elsass gelegen. Eine riesengroße Festungsanlage von Vauban errichtet, ist der Kernpunkt der Stadt. Mit Kopfhörer versehen durchstreiften wir die unterirdischen Anlagen der Citadelle. Ein Film zeigt den Kampf und die Verteidigung der Festung im Januar 1870.
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Unser Hauptziel war aber der Besuch des Rathauses. Nach meinen Unterlagen wurde hier mein Vorfahre Balthasar Michl (Michel) 1750 geboren und ist im Jahr 1785 über Wien in das Banat ausgereist. Es gibt aus dieser Zeit noch Taufbücher im Archiv des Hauses. Aber die französische Sprache und die schwer leserliche Handschrift brachten mich nicht weiter. Ein Grabmal auf dem Friedhof von einer Julia Michel war aber eine Bestätigung, dass her Michel's leben oder gelebt haben.
Am 2. Tag unserer Spurensuche ging es nach Trier, der ältesten Stadt in Deutschland. Schon die Römer haben in dieser Stadt gelebt, die gewaltig Porta Nigra am Beginn des Zentrums beweist dies.
Wir waren auf der Suche nach Unterlagen der Familie Unhold. Nach den vorhandenen Aufzeichnungen soll ein Balthasar Unhold im Raume Trier gelebt haben und mit dem 3. Schwabenzug in den Ort Gottlob (heute rumänisch Banat) gekommen sein. Nun ist es in Trier leichter, das Geburtshaus von Karl Marx zu finden, als das erzbischöfliche Archiv. Letztlich klappte es doch noch und wir erhofften, Unterlagen über die Familie Unhold zu bekommen. Die anwesenden Beamten bemühten sich sehr, Computer-Unterlagen und vorhandenes Archivmaterial wurden durchsucht, leider kein wirklicher Erfolg. Der Name Manderscheid, der ersten Frau von Balthasar Unhold wurde gefunden. Die Angabe "aus dem Raume Trier" ist natürlich sehr vage und kann auf viele umliegende Orte zutreffen.
Nun hatten wir Zeit, die Stadt Trier zu besichtigen und auch eine Fahrt entlang der Mosel nach Bernkastel-Kues war auf unserem Programm.
Der nächste Tag führte uns nach Maikammer in der Pfalz. In dieser Stadt lebte Mathias Binder. Er und mein Cousin Josef sind in Betschkerek zusammen ins Gymnasium gegangen. 1944 haben sich die beiden zum letzten Mal gesehen und die Wiedersehensfreude war daher riesengroß. Viel gab es zu erzählen und die Gespräche dauerten bis spät in die Nacht. Mathias Binder erzählte uns auch über seine Tätigkeit. Seine Planung und sein persönlicher Einsatz über vier Jahre führten zur Erichtung eines Denkmals in Molidorf, einen Ort, den es eigentlich nicht mehr gibt . Das Dorf wurde 1955/56 vom gestiegenen Grundwasser ausgelöscht.
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Die nächsten Tage waren ausgefüllt mit dem Besuch von Verwandten in Frankenthal und ehemaligen Schulkollegen in der Umgebung, aber auch Besichtigung einiger Orte in der Pfalz wie Neustadt, Bad Dürkheim, Wachenheim, Deidesheim (hier hat Altkanzler Kohl seine Gäste gerne hergeführt!).
Der Besuch der Stadt Speyer mit seinem Kaiserdom war ein besonderes Erlebnis. Neben vier deutschen Kaisern liegt auch König Rudolf von Habsburg hier in der Krypta begraben.
So schön es in der Pfalz auch war, unsere Reise ging nun weiter nach Villingen – Schwenningen. Das 19. Rudolfsgnader Treffen war unser Ziel. Kranzniederlegung und Totenehrung auf dem Friedhof war der erste Programmpunkt.
Nicht weit weg von dem sogenannten Heimatvertriebenenkreuz liegen mein Onkel Peter Michl und seine Frau begraben. Viele Familien aus Rudolfsgnad wurden ja später in Schwenningen sesshaft.
Abends war das Treffen angesagt. Michael und Josef kannten einige Personen bereits aus früherer Zeit und so ergab sich bald ein lebhaftes Gespräch. Auch einige Österreicher waren anwesend, alle auf ähnlicher Spurensuche, so wie wir.
Über Bad Wurzach mit einem Kurzbesuch bei Bruder Leo (Josef) Hoffmann ging unsere Reise zu Ende.
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Teil II - vom 1. – 4. Juni 2010
Eigentlich wollte mein Cousin Josef Unhold und sein Bruder Michael gleich nach unserer Deutschland-Reise nach Rudlfsgnad (Knicanin) fahren, aber familiäre Gründe riefen ihn zurück nach Peoria / Illinois USA, wo er heute lebt. im Frühjahr 2010 ersuchte er mich, mit ihm in die alte Heimat zu fahren und ob ich wieder die Organisation der Reise übernehmen würde. Mathias Binder fährt auch mit, sodass wir einen erfahrenen Reiseführer und Dolmetscher hätten.
Nun gut, ich sagte zu, doch es kam alles ganz anders. Mathias Binder kann nicht mitfahren, Molidorf liegt unter Wasser, die geplanten Arbeiten können nicht erledigt werden. Diese Nachricht erhielt ich eine Woche vor der Abreise. Nun hieß es, soviel Information als möglich einzuholen, insbesondere auch über Ausrüstung und Vorschriften der zu bereisenden Länder. Am 1. Juni 2010, einem regnerischen Tag fuhren wir dann los – wieder die gleichen Personen – Josef, Michael und ich. Wien – Budapest –Szeged – alles über die Autobahn. In Szeged kurze Rast bei der Theißbrücke. Die Theiß führte Hochwasser – ein Teil des Ufers war überschwemmt. Dann über die Grenze nach Gottlob/Rumänien. Dieser Ort wurde 1772 gegründet und war Ankunft vieler Donauschwaben. So ist mein Vorfahre Balthasar Michl im Oktober 1785 hier angekommen und auch Balthasar Unhold hat im Juni 1790 hier geheiratet und ist 1811 hier verstorben.
Neben der Kirche befindet sich das Gemeindeamt. Das Gespräch mit dem Bürgermeister war sehr herzlich, er zeigte uns alte Pläne und gab uns etliche Informationen. Die Auswanderer Unhold haben im Haus Nr. 66 gewohnt. Ein junger Mann führte uns zu dieser Stelle und auch später zum Friedhof. Tante Emma wohnte gleich nebenan. Sie sperrte uns die alte Kapelle auf und unterhielt sich mit uns im schwäbischen Dialekt. An alten Grabsteinen konnten wir den Namen Unhold jedoch nicht finden.
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In Lovrin wurde uns gesagt, sollten auch Kirchenbücher aufliegen. Am nächsten Tag sollten wir wiederkommen. Ein junger Computer-Fachmann wird dann anwesend sein und möglicherweise weiterhelfen können. So der letzte Bescheid der Gemeinde in Gottlob.
Wir fahren nach Großbetschkerek / Zrenjanin ins Hotel Vojvodina, wo ich unsere Zimmer bestellt habe. Am Abend erfolgte dann noch Kontaktaufnahme mit Ing. Erwin Buchecker, dem Präsident des Deutschen Vereins Betschkerek.
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Nach dem Frühstück geht die Fahrt wieder Richtung Gottlob. Auf dem Weg dorthin liegt etwas abseits Toba. Obwohl in Rumänien gelegen, ist dieser Ort überwiegend v. Familien ungarischer Abstammung besiedelt. Der Pfarrhof liegt direkt neben der Kirche. Auf unsere Frage, ob wir zum Denkmal im ehemaligen Molidorf fahren können, wurde uns dies wegen Überschwemmung abgeraten.
Mittags dann wieder in Gottlob. Ein junger Mann führt uns zu seinem Computer. Gemeinsam suchten wir nach unseren Vorfahren. Aber es war nicht mehr zu erfahren, als auch im deutschen Familienbuch steht. Josef und Michael suchten nach dem Auswanderungsort der Vorfahren, doch auch hier nur die Angabe aus dem Raume Trier. So schlossen wir die Suche ab und fahren weiter nach Temeswar. Klein Wien wurde diese Stadt genannt und man sieht noch viele schöne Häuser aus der Monarchie. Ein ganz besonderer Blickpunkt ist die orthodoxe Kirche mit einem riesengroßen vergoldeten Altar und sakralen Gegenständen.
Auf der Rückfahrt kommen wir nach Hatzfeld / Jimbolia. Heute ca. 12.000 Einwohner, lebten in früherer Zeit auch sehr viele Deutsche hier. Auch Stefan Jäger, der Maler der Donauschwaben lebte hier bis zu seinem Tod 1962. Wir besuchten das nach ihm benannte Museum. Einige seiner Bilder und auch Gebrauchsgegenstände aus dieser Zeit sind hier ausgestellt. Abends über die Grenze zurück in unser Hotel.
Wieder ein neuer Tag. Wir treffen uns auf dem Hauptplatz von Zrenjanin mit Ing. Erwin Buchecker. Er hat sich heute frei genommen und begleitet uns den ganzen Tag, Zunächst ist ein Rundgang in der Stadt fällig. Das Gymnasium, in das Josef einmal gegangen ist, ist nach wie vor in Betrieb und liegt gleich neben dem Hotel. Beim Spaziergang durch den so genannten Korso fallen uns sehr viele Banken auf. Es gibt mehr Banken als Geld, meint Erwin humorvoll.
Der Friedhof in Etschka ist unser nächstes Ziel. Viele deutsche Namen, die uns aus Rudolfsgnad bekannt sind, sind hier noch zu finden. Etschka 1802 gegründet und auch Sigmundsfeld/Lucicevo, gegründet 1809, war für viele Auswanderer Zwischenstation.
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Weiter der Bega entlang ging es nun nach Rudolfsgnad, unserem Geburtsort. Der erste Gang führt uns auf den Friedhof. Durch den serbischen Teil gelangen wir zur Kapelle und den alten deutschen Gräbern. Schnell finden wir einen noch erhaltenen Grabstein unseres Urgroßvaters von mütterlicher Seite. Johann Galbach und Frau Katharina ist noch zu entziffern. Andere Gräber sind großteils sehr verdeckt durch Sträucher und Büsche oder gar nicht mehr zu finden.
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Es geht weiter durch den Ort und wir fahren langsam auf die Teletschka hinaus. Sommerblumen blühen auf dem großen flachen Feld. Ein weiteres Mahnmahl steht vor uns. Wäre dieses nicht hier, keiner würde vermuten, dass hier 9000 Tote unter der Erde liegen. Auf den angebrachten Tafeln sieht man, wie viele Ortschaften betroffen waren. Wir versuchen ein Gebet zu sprechen. Es gelingt uns nicht, etwas schnürt unsere Kehlen zu. Zu viele Gedanken stürmen ein. Auch mein Großvater liegt hier. Er ist bei der Flucht 1944 zu Hause geblieben. Meine Tante, damals ein junges Mädchen, wurde nach Russland verschleppt. Berichte von Gräueltaten kommen auf. Wie kann man das je verstehen?
Nun geht es zurück ins Dorf. Gleich bei der ersten Kreuzgasse liegt mein Elternhaus. Das Eckhaus davor steht nicht mehr. Bäume sind herangewachsen und verdecken einen Teil des Hauses. Es sieht nicht gut aus, verwittert, vernachlässigt, lieblos umgebaut ist es nicht mehr so, wie in meiner Erinnerung. Ein alter Mann mit seiner Frau lebt heute darin. Ich darf einen kurzen Blick hineinwerfen. Gerne fahre ich mit meinen Begleitern ein Stück weiter. Das Haus der Familie Unhold liegt in der Kirchengasse und ist etwas besser erhalten. Der offene Gang ist n och gut zu sehen. Das Tor ist jedoch verschlossen. Ein Zettel zeigt an, dass der jetzige Bewohner verstorben ist.
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Wir machen einen kurzen Besuch im Gemeindeamt. Der Sekretär ist anwesend. Kaffee und Schnaps wird uns angeboten. Etwas später kommt der Bürgermeister dazu. Erwin Buchecker macht den Dolmetscher. Ein artesischer Brunnen für die Wasserversorgung des Ortes ist gerade in Bau. Nach kurzem Rundgang verlassen wir Rudolfsgnad.
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Es geht entlang der Straße, die 1944 als Fluchtweg diente, bis Novi Sad.
Novi Sad/Neusatz. Als Serben in großer Zahl vor den Türken auf ehemaliges österreichisches Gebiet flüchteten und hier Aufnahme fanden, wurde Novi Sad zum Bollwerk. Prinz Eugen holte den damals fähigsten Festungsbauer Vauban zum Bau von Peterwardein. Hier schließt sich für mich ein Kreis. Vauban als Festungsbauer in Bitche und in Novi Sad.
Die Stadt hat heute Sportanlagen, Einkaufsmärkte, ein schönes Rathaus, alte Bürgerhäuser, ein neues serbisches Theater. In die außen schön renovierte Kirche konnten wir leider nicht hinein. Auch der Sitz der Regierung von Vojvodina ist hier.
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Zurück nach Zrenjanin ließen wir den Tag in einer Czarda ausklingen. Nächster Tag Heimfahrt nach Österreich. Über die neue Autobahn nach Subotica, vorbei an Budapest und Wien ging es retour nach Oberösterreich!