Der Weg zum AVNOJ-Beschluss vom 21.11.1944 in Belgrad. Er besiegelte vor 70 Jahren den Untergang der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien.

AVNOJ („Antifašističko vijeće narodnog oslobodjenja Jugoslavije“ = Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“) ist die gebräuchliche Abkürzung des Beratungsgremiums („Schattenparlaments“)  der vom Kommunisten Josip Broz Tito geführten Partisanenbewegung, die im II. Weltkrieg im Raume des vormaligen Königreichs Jugoslawien gegen die – wie sie es nannte -  „faschistischen Okkupanten“ kämpfte.

Vor 70 Jahren – am 21. November 1944 – verfügte der AVNOJ in Belgrad den „Übergang des Feindvermögens in das Eigentum des Staates“, wobei es in Artikel 1, Nr. 2 heißt. „Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Beschlusses gehen in das Eigentum des Staates über: Sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit außer dem derjenigen Deutschen, die in den Reihen der Nationalen Befreiungsarmee und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens gekämpft haben …“.

Es sollen hier die Konferenzen der Tito-Partisanen zwischen 1941 und 1944 aufgezeigt werden, die zum AVNOJ-Beschluss von Belgrad und in der Folge zum Untergang der Donauschwaben, der Deutsch-Untersteirer und Gottscheer in  Jugoslawien führten. Sie zählten 540.000 Personen, unter ihnen 510.000 Donauschwaben. Durch Evakuierung, Flucht und Abwesenheit infolge Militärdienstes überlebten mehr als die Hälfte.  Rund 200.000 Heimatverbliebene fielen der Verfolgung des Partisanenregimes anheim, die 64.000 zwischen 1944 und 1948 nicht überlebten.

Strategie und Taktik der Partisanenbewegung

  Seit 1920 war die Kommunistische Partei in Jugoslawien verboten, und der jugoslawischen Geheimpolizei gelang es bald, die illegale Parteiorganisation zu zerschlagen. Im Jahre 1928 wurde auf dem Kongress der Kommunistischen Internationale beschlossen, dass im Falle eines Angriffs auf die Sowjetunion die Kommunisten im Angreiferland Partisanentrupps bilden müssten, um das Land (in der Regel ihr Heimatland) von innen her zu bekämpfen.

  Die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) zählte im Jahre 1939 etwa 2000 illegale Mitglieder. Seit Ende der zwanziger Jahre war eine straff organisierte Gruppe von mehreren hundert Personen im Untergrund tätig. Sie hatten unter den Studenten und Intellektuellen einen einflussreichen Anhang und  konnten auch in den Regierungsapparat eindringen. 

  Im Jahre 1937 wurde der Kroate Josip Broz Generalsekretär des Zentralkomitees der KPJ. Als am 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht auf Befehl Hitlers die Sowjetunion angriff, wies die Kommunistische Internationale (Komintern) alle kommunistischen Parteien Europas zum Aufstand an. Als nationale Sektion der Komintern tat nun die KPJ ihre Pflicht im Dienste der Weltrevolution. In einer Proklamation desselben Tages rief das Zentralkomitee (ZK) der KPJ das Proletariat Jugoslawiens zur Verteidigung der Sowjetunion, „des geliebten sozialistischen Vaterlandes," auf, und am 4. Juli 1941 erließ Tito, wie sich Josip Broz nun nannte, aus der Belgrader Villa des Direktors der bekanntesten jugoslawischen Tageszeitung „Politika", Ribnikar, den Aufruf an die KPJ zum Widerstand gegen die Besatzungsmacht.

  Die der KPJ gestellten strategischen Aufgaben waren a) je mehr feindliche Divisionen auf dem Nebenkriegsschauplatz Balkan zu binden und b) den Balkan vor einer britischen Landung zu schützen. Mit Hilfe der Briten hätten, so befürchtete Tito, die Royalisten die Oberhand gewinnen können. Um das zu verhindern, war Tito sogar bereit, mit den Deutschen zu kollaborieren. 1  Das anfängliche Ziel der Partisanen war demnach nicht die ,,Volksbefreiung" als solche,  sondern die  Ausnützung einer einmaligen geschichtlichen Situation für die Durchsetzung des Kommunismus in Jugoslawien nach Maßgabe der Pläne Moskaus.

  In Bela Crkva, einem Dorf unweit von Valjevo, erschossen Tito-Partisanen zwei arglose serbische Ordnungshüter aus dem Hinterhalt. Diesen Tag – es war der 7. Juli 1941 – erhob Tito später zum Nationalfeiertag.  Man feierte den Beginn des Bürgerkrieges. Noch im gleichen Monat wurden deutsche Offiziere und Soldaten aus dem Hinterhalt erschossen, auf die Eisenbahnlinie Belgrad-Agram wurde ein Anschlag verübt und es wurden Kommunisten aus dem Gefängnis befreit, so Alexander Ranković, der spätere Innenminister Titos und Chef der berüchtigten Geheimpolizei OZNA.

Ein Schwerpunkt der Taktik der Partisanen bestand darin, den „Okkupanten“, wie es in ihrer Sprachregelung hieß, zu Repressalien an der Zivilbevölkerung zu reizen. Aus einem Befehl des Generalstabschefs der Partisanen sei  Punkt 5 zitiert: ,,Um je größere Wut und Reaktion des Okkupanten gegen das serbische Volk herauszufordern, mache ich den Kommandanten zur Pflicht, aus ihren Kampfeinheiten die verlässlichsten und tapfersten Genossen herauszuwählen und sie zu beauftragen, von Zeit zu Zeit einzelne oder mehrere Angehörige der Besatzungstruppe zu ermorden, damit der Okkupant gegen das ungehorsame serbische Volk und seine Führung wirksame Repressalien unternehme .... 2  Noch im Juli 1941 wurden auch deutsche Offiziere und Soldaten aus dem Hinterhalt erschossen.

Im August gab es seitens der Besatzung den „Appell an das serbische Volk“, der das Angebot zu einer loyalen Mitarbeit mit der Besatzungsmacht enthielt. Dazu wurden auch warnende Plakate – nachweislich in Belgrad – angebracht, die vor weiteren Anschlägen warnten. Auch bemühte sich die deutsche Besatzungsmacht, die von ihr eingesetzte Regierung Milan Nedić zu Interventionen bei den Aufständischen zu veranlassen. Doch waren die Tschetniken und Partisanen zur Einstellung ihrer Aktionen nicht bereit.

Als alle diese Maßnahmen offensichtlich wenig halfen, Anschläge zu verhindern, kam der OKW-Befehl Nr. 888/41 (100 Geiseln für einen toten Soldaten, 50 Geiseln für einen verwundeten Soldaten sind zu erschießen). Er wurde erst am 16. September 1941 erlassen.

Einen Monat später, am 16. Oktober 1941, gab es den  Überfall bei Kragujevac, den die Tschetniken zusammen mit den Partisanen verübten, wo es 10 tote deutsche Soldaten und 26 verwundete gab. Daraus resultierte dann die Zahl 2.300 der zur Sühne als Geiseln zusammengeholten und erschossenen serbischen Opfer, zu denen auch Schüler ganzer Gymnasialklassen gehörten. 

Nach dem damals geltenden Völkerrecht (Haager Landkriegsordnung von 1907) war eine Geiselerschießung als letzter Ausweg (ultima ratio), das friedliche Verhalten der Bevölkerung des besetzten Landes sicherzustellen, möglich. Es sollte aber eine Proportion vorhanden sein –  eine „angemessene Zahl“ von Geiseln konnte als Repressalie getötet werden.

Der OKW-Befehl bedeutet zweifellos ein Übermaß an Repressalie und war wohl nicht nur als Druckmittel zum Erzwingen eines friedlichen Verhaltens, sondern auch als drakonische Vergeltungsmaßnahme gedacht. Dass so viele Unschuldige ihr Leben als Opfer einer Vergeltung für Untaten ihrer Nationsangehörigen verlieren, kann moralisch nicht gerechtfertigt werden.

Dass die kommunistisch dominierten Partisanen auch nach den ersten exzessiven Antworten der deutschen Führung im Gegensatz zu den Tschetniken keine Skrupel kannten, bewiesen sie während des gesamten Bürgerkriegs. „Bewusst und absichtlich inszenierten sie auch in loyalen Gebieten spektakuläre Sabotageakte und Terroranschläge mit bestialischen Verstümmelungen, nur um Repressalien zu provozieren. Die Massenflucht vor Strafmaßnahmen heimsten sie gerne ein, so dass die Ordnungsmacht indirekt zum Wachstum der Partisanenmacht beitrug. Das dabei vergossene unschuldige Blut jener, die man befreien zu wollen vorgab, spielte bei ihnen keine Rolle: Wichtig war, dass der Volkszorn nicht den Verursacher und wirklich Schuldigen, sondern die Vollstrecker traf“ 3

Sie forderten also bewusst schlimmste Vergeltungen der Besatzungsmacht heraus, damit die vorerst passive serbische Zivilbevölkerung  zu ihnen ,,in den Wald"  flüchte. Der Erfolg gab Tito recht, weil jede Geiselerschießung den Kommunisten neue erbitterte Kämpfer zuführte.

Die Entwicklung des Konzepts „Revolutionskrieg" und „Volksbefreiung“ im Laufe der AVNOJ-Konferenzen

Im Laufe des Bürgerkriegs trat die Möglichkeit, ein kommunistisches Jugoslawien zu errichten, immer mehr in das Bewusstsein des Zentralkomitees der KPJ. Aus taktischen Gründen erschien es indes notwendig, den Krieg möglichst auszuweiten und ihn nicht als einen Kampf der Kommunistischen Partei, sondern als einen "Revolutionskrieg" 4 des jugoslawischen Volkes zu deklarieren. Das vorgebliche Ziel lautete auf Befreiung des Volkes von den ,,faschistischen Okkupanten" und ihrer Kollaborateure. Daher der Slogan „Tod dem Faschismus – Freiheit dem Volke“, der zur Signatur der Tito-Bewegung wurde. Zur Realisierung des Zieles eines kommunistischen Jugoslawiens bot sich das Volksfront-Konzept an, damit auch Nicht-Kommunisten nicht abgeschreckt würden, sich anzuschließen und mitzukämpfen. So gründete man die "Oslobodilački Front" (OF), die ,,Befreiungsfront.“ 5  Wer nicht am „Volksbefreiungskrieg“ teilnahm, lief Gefahr als „Faschist“ und „Volksfeind“ zu gelten und mit kriegerischen Mitteln bekämpft zu werden.  

  Der von Tito gegründete AVNOJ („Antifašističko vijeće narodnog oslobodjenja Jugoslavije“ = Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“) arrogierte sich die Funktion des Schattenparlaments und der Schattenregierung gegenüber der bis zum 7. März 1945 völkerrechtlich anerkannten, im britischen Exil wirkenden Jugoslawischen Königlichen Regierung.

Die politische Entfaltung des Gedankens, ein international anerkanntes Jugoslawien unter kommunistischer Führung zu etablieren, lässt sich an den von ihm vorübergehend gesetzten Städten am besten festmachen. Das zum besetzten Serbien gehörende Užice bildete die letzte Station Titos unmittelbar vor seiner Flucht aus Serbien in den Sandschak und nach Montenegro, die zur italienischen Einflusszone gehörten, und von hier in die Herzegowina und nach Bosnien, die zum hauptsächlichen Kampfplatz wurden. Er operierte also die meiste Zeit in den Gebieten des damaligen Unabhängigen Staates Kroatien, nach seinen vergeblichen Versuchen, zwischen dem 04. Juli und dem 29. November 1941 das damals noch royalistisch fest verankerte Serbien für seinen in sowjetischem Auftrag geführten Partisanenkampf zu gewinnen.

In Foča

, dem vom Januar bis Mai 1942 in Titos Hand befindliche Städtchen innerhalb des Unabhängigen Staates Kroatien, formulierte www.donauschwaben-ooe.at/index.php Pijade, einer der engsten Mitstreiter Titos, die „Fočanski propisi“ (Verordnungen aus Foča). Sie liegen dem Verfasser nicht vor. Der bekannte serbische Germanist und Historiker Zoran Žiletić hat ihren Inhalt so gekennzeichnet: „Sie nahmen die AVNOJ-Bestimmungen vom 21. November 1944 über die Strafmaßnahmen gegen die „Volksfeinde' und somit auch gegen die Jugoslawiendeutschen als Volksgruppe vorweg“.

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In Bihać, dem vom Anfang November 1942 bis Januar 1943 in Titos Hand befindliche Städtchen innerhalb des Unabhängigen Staates Kroatien, fand am 26. November 1942 die erste Tagung des AVNOJ statt.

Moša Pijade erklärte auf der dieser Sitzung vor dem „Antifaschistischen Kongress“: „... es gibt viel zu tun. Wir müssen das ganze Volk  auf unsere Seite ziehen, wenn wir den Krieg gewinnen wollen. Das ist schwer zu erreichen in einem Land, wie das unsere, weil es hier in den Städten keine arbeitslosen Massen und keine industriellen Schwerarbeiter gibt. Die Länder der Bauern muss man zunächst vorbereiten, dass sie der kommunistischen Idee zugänglicher werden. Man muss deshalb so viele Obdachlose schaffen, damit diese Obdachlosen die Mehrzahl im Staat bilden. Deshalb müssen wir zündeln. Aber wir müssen das klug anstellen, es sollen andere an unserer Stelle arbeiten: Wir werden die Deutschen in die Dörfer locken, wir werden schießen und uns dann zurückziehen. Die Deutschen werden uns nicht finden, aber sie werden aus Rache Dörfer niederbrennen. Dann werden die Bauern, die dort ohne Dach geblieben sind, von selbst zu uns kommen und wir werden dann das Volk bei uns haben und so Herr der Situation werden.

Diejenigen, die kein Haus, noch Land, noch Vieh haben, werden sich schnell an uns anschließen, weil wir ihnen große Raubzüge versprechen werden. Es wird mit denen schwieriger werden, die einen Besitz haben. Diese werden wir mit Vorträgen, Theatervorstellungen und anderer Propaganda an uns binden. Wir müssen aus den Haushalten mindestens einen aus jeder Familie mobilisieren. Wir werden viele Angriffe organisieren und so den Okkupanten ständig zu Repressalien gegenüber dem Volk reizen, sie mögen die Dörfer niederbrennen und die Schwachen töten. Das Volk wird dann zu uns kommen und wir werden uns zahlenmäßig um Tausende und Abertausende Kämpfer verstärken. So werden wir allmählich durch alle Provinzen ziehen.

Ein Bauer, der ein Haus, Land und Vieh hat, ein Arbeiter, der ein Gehalt bekommt und Brot hat, nützt uns gar nichts. Wir müssen aus ihnen Obdachlose, Proletarier machen. Ihr Hass wird gegenüber denen wachsen, die irgendeinen Besitz haben und wir werden ihren Hass bis zum Fanatismus, bis zur Besessenheit steigern. Nur die Obdachlosen sind furchtlos und in der Lage, unseren verzweifelten Kampf zu empfangen und zu akzeptieren, weil sie nichts zu verlieren haben. So werden wir allmählich proletarisches Militär schaffen, wie es für unseren Kampf unerlässlich ist. Nur die Unglücklichen werden zu Kommunisten, deshalb müssen wir das Unglück hervorrufen, die Massen ins Elend stürzen, wir sind der Todfeind jedes Wohlstandes, jeder Ordnung und jedes Friedens“. 7

Offenbar durchschaute die Führung der deutschen Wehrmacht erst allmählich die Strategie der Partisanen und reduzierte ihre Sühnemaßnahmen für die hinterhältige Tötung eines deutschen Soldaten auf die Erhängung oder Erschießung mehrer Personen aus dem Kreis der Volkszugehörigen der Partisanen.

Jajce, das zwischen August und Dezember 1943 in Titos Hand befindliche Städtchen innerhalb des Unabhängigen Staates Kroatien, beherbergte am 29. November 1943 die zweite Tagung des AVNOJ.

Es scheint geschichtliche Tatsache zu sein, dass die Partisanen auf der 2. Sitzung des AVNOJ vom 21. bis 29. November 1943 im bosnischen Jajce die Situation allen Ernstes so interpretierten, dass sie durch den allgemeinen Volkswillen zur legitimen Vertretung Jugoslawiens ermächtigt wären und dass somit alle, die sich ihnen nicht anschlössen, ,,Feinde des Volkes" und entsprechend als Landesverräter zu verfolgen und gegebenenfalls sogar mit dem Tode zu bestrafen wären. Nach diesem Grundsatz gingen sie in der Folge auch vor; er zieht sich durch alle späteren legistischen Beschlüssen des AVNOJ.

 Sie erklärten in Jajce die nationale Gleichberechtigung der südslawischen Völker: der Serben, Kroaten, Slowenen, Mazedonier und Montenegriner sowie ihr Recht, Teilrepubliken innerhalb einer jugoslawischen Föderation zu bilden. Tito wurde in den Rang eines Marschalls Jugoslawiens erhoben und übernahm die Präsidentschaft einer provisorischen Regierung, der in London agierenden Exilregierung wurde die Anerkennung entzogen und König Peter II. die Rückkehr ins Land verboten. Die Frage der Monarchie sollte erst durch eine Abstimmung der Völker Jugoslawiens entschieden werden. Auch die Grundzüge der Deutschenpolitik der Partisanenbewegung wurden festgelegt. Die Deutschen wurden nicht zu einer anerkannten Minderheit erklärt. Vielmehr erschien die als "Verfügung von Jajce" bekannt gewordene, die Deutschen betreffende Erklärung, die eine Richtschnur für alle folgenden Maßnahmen gegen die Deutschen Jugoslawiens werden sollte.

Diese Verfügung war mit 21. 11. 1943 datiert und von Moša Pijade, der zusammen mit Eduard Kardelj sämtliche Beschlüsse von Jajce redigierte, gezeichnet. Die Verfügung dürfte eine Art Flugblatt gewesen sein und wurde, soweit ersichtlich, nicht in die gegenwärtig vorliegenden publizierten Sammlungen der AVNOJ-Erlässe von Jajce aufgenommen.8

Ihr Inhalt lautet: 1. Alle in Jugoslawien lebenden Personen deutscher Abstammung verlieren automatisch die jugoslawischen Staatsbürgerschaft und alle bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte. 2. Der gesamte bewegliche und unbewegliche Besitz aller Personen deutscher Abstammung gilt als vom Staat beschlagnahmt und geht automatisch in dessen Eigentum über. 3. Personen deutscher Abstammung dürfen weder irgendwelche Rechte beanspruchen noch ausüben, noch Gerichte und Institutionen zu ihrem persönlichen und rechtlichen Schutz anrufen. 9

   Stalin war zwar über die in Jajce erfolgte Ernennung Titos zum Präsidenten einer provisorischen Regierung sehr verärgert, weil gerade die Konferenz der Großen Drei in Teheran (28. 11. – 1. 12. 1943) tagte. Die Alliierten machten aber Stalin auf der Konferenz deutlich, dass sie zur Anerkennung Titos als des alleinigen militärischen Verbündeten im jugoslawischen Raum bereit wären, weil er allein militärische Effizienz im Kampf mit den Deutschen besitze. So anerkannte Stalin am 15. Dezember 1943 Tito als provisorischen Regierungschef Jugoslawiens und ab derselben Zeit wurde Tito von Churchill als der allein unterstützungswürdige Verbündete im jugoslawischen Raum betrachtet. Im Februar 1944 schließlich erklärte Churchill in einer Rede vor dem Parlament Tito zum alleinigen Verbündeten der Alliierten, dem von nun ab einzig die Unterstützung der Alliierten gehörte.

Belgrad, das die Rote Armee und Tito-Partisanen am 20. Oktober 1944 einnahmen, wurde am 21. November 1944 zum Schauplatz der dritten und letzten AVNOJ-Tagung. Auf die Verfügung von Jajce geht offensichtlich der Beschluss zurück, den der AVNOJ auf dieser Sitzung fasste und der den "Übergang von Feindvermögen in  das Eigentum des Staates" zum Inhalt hatte und – wie die Interpretation vom 8. 6. 1945 zeigt – den Verlust der bürgerlichen Rechte der Deutschen voraussetzte. Artikel I lautet: "Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Beschlusses gehen in das Eigentum des Staates über: 1. Sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches und seiner Staatsbürger, das sich auf dem Territorium von Jugoslawien befindet; 2. sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit außer dem derjenigen Deutschen, die in den Reihen der Nationalen Befreiungsarmee und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens gekämpft haben oder Staatsbürger neutraler Staaten sind und sich während der Okkupation nicht feindlich verhalten haben. 3. Sämtliches Vermögen von Kriegsverbrechern und ihren Helfershelfern ohne Rücksicht auf ihre Staatbürgerschaft und das Vermögen einer jeden Person, die durch Urteil der Zivil- und Militärgereichte zum Vermögensverlust zugunsten des Staates verurteilt wurde." In Artikel 12 heißt es, der Beschluss trete mit dem Tag seiner Verkündigung in Kraft. Dies war der 6. Februar 1945.  

Eine mit 8. Juni 1945 datierte Interpretation des Beschlusses legte fest, dass es richtig sei, auch jenen Deutschen die Bürgerrechte und das Vermögen nicht zu entziehen, die in Mischehe mit Personen einer der Jugoslawischen Nationalitäten oder anerkannten Minderheiten lebten.

Dass man die deutsche Volksgruppe aus der Volksrepublik Jugoslawien eliminieren wollte und dabei den Standpunkt der „kollektiven Bestrafung" einnahm, wird auch durch die Erklärung des „Haupt-Volksbefreiungsausschusses der Vojvodina" bestätigt, der lautet: „Die ungarische Bevölkerung wird als alteingesessene Bevölkerung alle bürgerlichen Rechte genießen, bestraft werden nur die Verbrecher und Diener des Horthyschen Besatzungsregimes... Der deutschen Bevölkerung, die in ihrer Gesamtheit im Dienste des deutschen Faschismus stand ... gebührt kein Platz mehr in unserem Lande. Aber bürgerliche Rechte werden jene Deutschen genießen, die in den Reihen der Partisanen und der jugoslawischen Armee gekämpft oder auf andere Weise den Volksbefreiungskampf unterstützt haben". 10

Dr. Georg Wildmann / Juli 2014


 

1  In Geheimverhandlungen mit der deutschen Militärführung in Agram zeigte sich Tito 1943 bereit, die Deutschen bei der Abwehr einer ev. Landung der Briten und Amerikaner auf dem Balkan zu unterstützen. Dafür bot er auch eine Einstellung der Sprengstoffattentate auf die Bahnstrecke Agram-Belgrad und der Guerilla-Tätigkeit im slawonischen Raume an. Seine Bedingungen waren: Anerkennung der Partisanen als kriegführende Partei (völkerrechtlicher Kombattanten-Status) und ein Nichtangegriffenwerden im westbosnischen „befreiten“ Raum. Auf Verbot Hitlers hin wurden die Verhandlungen abgebrochen.

2  Wüscht, Johann: Jugoslawien und das Dritte Reich. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen 1933 bis 1945, Stuttgart 1969, S. 66.

3  Reinsprecht, Martin: Warum wurden die Volksdeutschen in der Vojvodina 1944-1948 anders behandelt als jene in Slawonien und Slowenien? in der Zeitung „Der Donauschwabe“ vom 3. März 1985.

4  Das Buch von Djilas, Milovan: Krieg der Partisanen, Wien 1977, trägt im serbischen Original den Titel „Revolucionarni rat“: „Revolutionskrieg“.

5  Dazu Milovan Djilas: „Ich kannte Titos Abneigung gegen das Theoretisieren, doch gab mir seine Inanspruchnahme ohnehin keine Gelegenheit, Frage, die mich bedrückten, mit ihm zu erörtern, nämlich: ob in Jugoslawien eine Revolution im Gange sei und ob die Kämpfe in Serbien einen solchen Umfang erreicht hätten, dass man sie als einen Volksaufstand bezeichnen konnte. Auch Kardelj war der Ansicht, dass in Jugoslawien eine Revolution begonnen hatte; im sozial differenzierten und politisch zwiespältigen Serbien war das sichtbarer als in Montenegro. Freilich sei das keine 'reine' proletarische Revolution: Der Aufstand gegen die Besatzungsmacht habe die Revolution zu einer nationalen Bewegung gemacht, doch erhebe der Bankrott und die Kollaboration der Vertreter der alten Ordnung die kommunistische Partei zur führenden Kraft. Würde man aber von einer Revolution sprechen, die Bezeichnung âEUR~Revolution' ausdrücklich gebrauchen, dann würden die Reaktionäre und Profaschisten dies dazu nützen, den bewaffneten Kampf gegen die Okkupanten als einen Kampf der Kommunisten für eigene Anliegen, mit anderen Worten: als einen Kampf für die Ziele der Sowjetmacht darstellen. Es war dagegen taktisch vorteilhafter, nicht mit revolutionären Phrasen um uns zu werfen. Attraktiver und angemessener war der Terminus âEUR~Volksbefreiungskampf.'“ Djilas, Milovan: Tito. Eine kritische Biographie, Wien 1980, S. 47f.

6  Vgl. Stefanović, Nenad: Ein Volk an der Donau. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien unter dem kommunistischen Regime. Gespräche und Kommentare serbischer und deutscher Zeitzeugen. 2. Aufl. München, Eggenfelden, Belgrad 2004, rückwärtige innere Umschlagseite.      

7 Übersetzt aus dem Serbischen von Stefan Barth. Anmerkungen des Übersetzers: Das Dokument befindet sich im Archiv des Militärhistorischen Instituts in Belgrad im File des Stabes des Oberkommandos (JVUO) der Jugoslawischen Armee im Vaterland, die ihrem General Draža Mihajlovi unterstand, d.h. den Tschetniken. Das Dokument gehört demnach zum Tschetnik-Archiv, unter dem Kennzeichen K-12, 30/2. Im nachfolgenden Text distanziert sich der Oberste Stab der Jugoslawischen Armee im Vaterland entschieden vom kommunistischen Vorgehen, wie es hier von Pijade als Strategie der Partisanen skizziert wird.

      Moša Pijade (* 4. Januar1890 in Belgrad; † 15. März1957 in Paris) war ein jugoslawischerKommunist und enger Vertrauter von Josip Broz Tito. Er war jüdischer Abstammung, verstand sich aber als Serbe. Während des Zweiten Weltkriegs gehörte er zum engsten Beraterstab der Partisanen um Marschall Tito und war Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros der KPJ. Nach dem Zerfall Jugoslawiens sind im Archiv der Staatsgemeinschaft Serbien und Montenegro auch Dokumente im Nachlass von Moša Pijade aufgetaucht, die eine Liste der „Konzentrationslager für die deutsche Bevölkerung“ enthalten. Im sozialistischen Jugoslawien wurde er zum Volkshelden erklärt.

       Leider ging die deutsche Wehrmacht der Strategie der Partisanen auf den Leim und rächte sich für die Provokationen der Partisanen grausam an der serbischen und jüdischen Zivilbevölkerung.

8  Karner, Stefan: Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien. Aspekte ihrer Entwicklung 1939-1997, Klagenfurt-Ljubljana-Wien 1998, S. 125f. Zum Streit um die Existenz des Flugblattes siehe den Beitrag in dieser Homepage unter dem Link: 70 Jahre. Auf der Konferenz der Partisanen Jugoslawiens in Jajce/Bosnien im November 1943 wurde das Schicksal der Jugoslawiendeutschen vorentschieden.

9  Werther, Oswald: Die Untersteiermark von 1918-1945, in: Ernest Erker u.a., Der Weg in die neue Heimat. Die Volksdeutschen in der Steiermark, Graz-Stuttgart 1988, S. 46.

10  Schweißguth, Edmund, Die Entwicklung des Bundesverfassungsrechts der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Studien des Instituts für Ostrecht, Vol. 9, München 1961, S. 88.