17.06.2011 - Die Weihe des Kreuzes über den Massengräbern âEUR" ein historischer Moment

Bericht: Pof. Dr. Georg Wildmann

Fotos zur Weihe des Gedenkkreuzes

Am 17. Juni 2011 konnte die donauschwäbische Heimatortsgemeinschaft Filipowa auf der „Heuwiese“, nahe ihrem alten Heimatort, der heute Bački Gračac heißt eine Gedenkstätte mit Kreuz bei den Massengräbern errichten. In den drei Massengräbern liegen ermordete Männer.

Nach jahrelangen Verhandlungen mit den örtlichen Behörden konnte das seit der Vertreibung brennende Anliegen der weltweit zerstreut lebenden Landsleute realisiert werden, unter nicht geringen finanziellen  Opfern.An der Feier zur Einweihung des Kreuzes nahmen zwischen 450 und 500 Menschen teil, die aus Deutschland, Österreich, Kroatien, Ungarn den USA und Kanada in die Provinz Vojvodina, Serbien, angereist waren. Es waren vor allem die Betroffenen, deren Angehörige hier liegen: die Großväter, Väter, Brüder und Schwäger solche die gerade 16 Jahre alt geworden waren und solche die knapp vor der Vollendung des 60. Lebensjahres standen – 212 an der  Zahl. Ermordet am 25. November 1944 von einem Mordkommando aus der Sremska oder Krajiška Brigada der Partisanen, die sich „Volksbefreiungsarmee“ nannten. „Jetzt habe ich endlich meinen Vater begraben“ sagte eine alte Frau unter Tränen – eine der Stimmen aus der Reihe der Zeitzeugen und der Nachkommen.

Den Toten die Ehre gaben sieben Bischöfe: Stanislav Hoćevar, Erzbischof von Belgrad; János Pénces,  Bischof von Subotica; Lászlo Német, Bischof von Zrenjanin (Groß Betschkerek); Orlando Antonini, Erzbischof, Nuntius des Vatikans in Serbien; Irinej Bulović, der orthodoxe Bischof von Novi Sad; Djura Džudžar, der griechisch-katholische (unierte) Bischof von Serbien und Montenegro, und schließlich Erzbischof Robert Zollitsch. Sie alle, katholische wie orthodoxe Bischöfe und Priester, demonstrierten bei dieser Gelegenheit gemeinsam den Willen zu stärkeren Kontakten und zum Dialog. Es sei wichtig, einander näher zu kommen und «Barrieren und Hindernisse abzubauen», sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz laut KNA.

Es war wohl ein historischer Moment, als Sándor Egeresi, Präsident des Parlaments der Autonomen Provinz Vojvodina in seiner auf serbisch, deutsch und ungarisch gehaltenen Grußrede sagte: „Sehr geehrte Damen und Herren, mit großer Hochachtung möchte ich im Namen des Parlaments der Autonomen Provinz Vojvodina und in meinem persönlichen Namen den Erzbischof der deutschen katholischen Kirche, Herrn Robert Zollitsch, wie auch alle anwesenden Gäste anlässlich der Einweihung des Denkmals zum Gedenken an die unschuldig gefallenen Landsmänner, einstigen Mitbürger, Donauschwaben, begrüßen. Der Anlass, aus dem wir uns hier eingefunden haben, weckt tiefe Erinnerungen an eine gemeinsame Vergangenheit, ein Zusammenleben, das sich, in diese Pannonische Ebene verwurzelt, hunderte Jahre lang in Freundschaft, guter Nachbarschaft und gegenseitiger Achtung abgewickelt hat. Leider sind im Kriegswirbel des Zweiten Weltkriegs viele Unschuldige und Schuldlose gefallen; viele wurden aus ihren Heimen vertrieben; viele, unter ihnen bedeutend viele Donauschwaben, sind in Lagern in der Vojvodina unmittelbar nach dem Krieg gestorben und der größte Teil wurde vertrieben und hat seine Heimatorte verlassen. An diesem Ort, an dem wir uns versammelt haben, gedenken wir mit Pietät aller derjenigen, die ihr Leben verloren haben und bitten um Verzeihung für das zugefügte Leid und tragische Schicksal. Dieses Gedenkkreuz ist zugleich auch ein Symbol derjenigen Werte, die Glauben an die Zukunft wecken – an das Leben, den Dialog und die Versöhnung. Danke!“

Dass diese Rede einen historischen Markstein darstellt, wurde in seiner vollen Tragweite von der Gedächtnis- und Trauergemeinde erst allmählich wahrgenommen.  Es mutet nämlich geradezu als höhere Fügung an, dass an dem Ort, wo die größte Gruppe der Donauschwaben der Batschka liegt, die aus einem einzigen Ort stammt und in einer einzigen Nacht ermordet wurde, der derzeitige Präsident des Parlaments der Vojvodina, um Verzeihung für das den Opfern „zugefügte Leid und das tragische Schicksal“ gebeten hat. Ihr Leid erlitten die Filipowaer Opfer und das tragische Schicksal erfuhr Filipowa durch Menschen aus der früheren Bewohnerschaft der Vojvodina. Im Blick auf die Täter der Vergangenheit hat Präsident Egeresi um Verzeihung gebeten. Die Bitte um Entschuldigung und Verzeihung eines so hochrangigen Vertreters der Vojvodina, die immerhin ein prominenter Teil Serbien ist, hat es bislang nicht gegeben. Das stellvertretende Schuldbekenntnis aus Verantwortung für die zurückliegende dunkle Geschichte dieses Landes ehrt den Mann, der es äußert, schafft die Voraussetzung für eine ehrliche Vergebung, setzt ein Friedenszeichen und ebnet die Wege der Begegnung. So haben unsere unschuldigen Toten, die auf der „Heuwiese“ liegen, einen neuen Weg in eine friedvolle Zukunft eröffnet. Ihr Tod war nicht umsonst.

Robert Zollitsch, Erzbischof von Freising und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, der in Filipowa geboren wurde und dessen 16jähriger Bruder zu den Opfern zählt, sagte in seiner Vorrede zur Weihe: Trauer und Gedenken sind es, die uns hier auf der Hodschager Heuwiese zusammenführen. Ein Menschenleben lang haben wir Filipowaer auf diesen Tag gewartet. In unseren Ohren hallen immer noch die Schüsse von jenem 25. November 1944 und auch nach über 66 Jahren sind die Wunden in unseren Herzen immer noch offen, sie sind nicht verheilt. ... Heute nun ist es endlich so weit, dass wir hier ein Gedenkkreuz einweihen können. Es ist ein Zeichen der Trauer und der Erinnerung. Wir wollen den Opfern des Massakers vom 25. November, unseren ermordeten Landsleuten, sagen: Ihr seid nicht vergessen. Ihr habt nicht nur einen Platz in unseren Herzen und in unseren Gedenk-Bänden. Wir wollen ein klares Zeichen nach außen setzen und Eurer auch am Ort Eures Todes gedenken und die Erinnerung an Euch in Stein gemeißelt festhalten. Wir bleiben mit Euch, unseren Landsleuten, über den Tod hinaus verbunden und wollen Euch, unsere Angehörigen, ehren, damit Euer grausamer Tod und Euer Opfer nicht vergessen werden. Wir wollen damit ein Zeichen setzen für unsere Filipowaer Dorfgemeinschaft zur Erinnerung und Mahnung für alle, die hierher kommen, und für alle, die vorbeigehen. Wenn wir Euch vergessen und Eurer nicht gedenken würden, würden wir dazu beitragen, dass Ihr ein zweites Mal getötet würdet.“

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Filipowa, Adam Kupferschmidt, sagte in seiner Begrüßungsrede: „Unsere Angehörigen, die hier liegen, sind durch ein menschenverachtendes Geschehen zu Tode gekommen und hier pietätlos verscharrt worden. Wir dürfen ihnen heute ihre Namen und damit das äußere Zeichen ihrer Würde wiedergeben. Das, was wir heute hier vollziehen, ist  ein  Akt der der Vertiefung der Menschenwürde  unserer Toten und ein Akt der tröstlichen Erinnerung für ihre Angehörigen.

Dass wir, als Überlebende einer schlimmen Zeit, diesen Tag  noch erleben dürfen,  erfüllt uns mit großer Dankbarkeit. Der Errichtung dieser Gedenkstätte ging ein jahrzehntelanges Bemühen und geduldiges Warten voraus. Der heutige Tag der Einweihung ist also – wohl mit Hilfe der Gnade Gottes – auch ein Tag des Erfolgs.... Wir von der Erlebnisgeneration haben das Vermächtnis vom damaligen Kaplan Paul Pfuhl, dem Augenzeugen der Verhöre im Kirchhof und dem Verfasser des Berichtes über den 25. November 1944, zum gemeinsamen Vermächtnis und Ziel erhoben: „Wir sollten diesen Männern und Burschen in unseren Herzen ein Denkmal errichten, bis die Zeit kommt, dass wir ihnen an ihrer Märtyrerstätte ein würdiges Mahnmal errichten können'. Darauf haben wir jahrzehntelang  gehofft und dafür haben wir gebetet. Wir alle sind aus tiefster Seele dankbar, dass wir die Erfüllung dieses Vermächtnisses noch erleben durften! Möge dieses Mahnmal auch zum Nachdenken über jene Zeiten veranlassen, die Zeiten eines friedlichen Zusammenlebens zwischen den hier lebenden Völkern und den bis 1945 hier lebenden Deutschen gewesen sind!“

Fotos zur Weihe des Kreuzes über den Massengräbern