Prinz Eugen – die Donauschwaben – und Oberösterreich

v. Prof. Dr. Georg Wildmann

Dem Prinzen Eugen von Savoyen, dem so populären und für die europäische Geschichte einer der bedeutendsten Feldherrn, sind nur drei Reiterstandbilder gewidmet: das eine steht in Turin, dem sich das spätere italienische Königshaus Savoyen dem Prinzen besonders verbunden fühlte, das zweite steht in Budapest und das dritte auf dem Heldenplatz in Wien. Drei wesentliche Merkmale charakterisieren auch das Leben Prinz Eugens: Er war als Türkenbefreier der Befreier unserer pannonischen Heimat; er war einer der letzten großen Diener der Idee von der ordnenden Macht des Römischen Reiches Deutscher Nation und er war schließlich ein großer europäischer Humanist. 

Prinz Eugen - Befreier unserer donauschwäbischen Heimat:

Während der 150jährigen Türkenherrschaft in Ungarn hatte das Reich immer wieder große militärische Anstrengungen unternommen, die Türkenherrschaft daselbst zu beenden. Aber der Dreißigjährige Krieg und vor allem die Kriegsverwicklungen mit den Franzosen hinderten Kaiser und Reich immer wieder daran, einen entscheidenden Schlag gegen die Türken zu führen. Erst dem „Türkenpapst" Innozenz Xl. gelang es, die türkenfeindlichen Mächte zu einer Heiligen Liga zusammenzufassen und gegen die Osmanen zu mobilisieren. Dieses vereinigte Heer errang den Sieg vom Kahlenberg und die Rettung Wiens 1683. Das Zusammenwirken von Kaiser, Polenkönig und Papst rettete demnach den mitteleuropäischen Raum vor der Türkenherrschaft. Sie stehen auch am Anfang des Weges der Donauschwaben.

Prinz Eugen wurde 1663, in Paris geboren. Er starb am 21. 4. 1736 in Wien. Er hat ein halbes Jahrhundert europäischer Geschichte entscheidend mitgeprägt. Rund die Hälfte dieser Jahre galten dem Krieg, die andere Hälfte der friedlichen Aufbauarbeit in den von den Türken befreiten ungarischen Gebieten sowie der Kunst und Wissenschaft.

Der auf der Flucht vor den Türken 1683 in Passau weilende Kaiser Leopold I. nahm den aus Paris geflohenen 20jährigen Prinzen in kaiserliche Dienste. So konnte der junge Mann schon bald in der Schlacht am Kahlenberg sein später so erfolgreich geübtes „Kriegshandwerk" kennenlernen. Vierzehn Jahre später erhielt der damals 34jährige General der Kavallerie den Oberbefehl über die kaiserlichen Truppen in Ungarn. Er reorganisierte sofort das Heer und errang schon zwei Monate später bei Zenta in ebenso draufgängerischer wie genialer Manier jenen Sieg über die Türken, der die Batschka und die innerpannonischen Städte für immer von der türkischen Herrschaft befreite. Leider vernichteten die Kuruzzen unter ihrem Fürsten Rákoczi in ihrem von den Franzosen geförderten Kampf gegen die Habsburger in Ungarn um 1707 nochmals alles, was die Türkenherrschaft in der Batschka heil überstanden hatte. So blieb bis zur Ansiedlung ein entvölkertes Gebiet von Steppe und Sumpf zurück.

Infolge der ungeheuren Zerstreuung der habsburgischen Reichsmassen in Europa musste der Prinz in seinem Leben als Feldherr in Belgien, Deutschland und Italien, ja selbst in Frankreich (man denke an die Belagerung Toulons) gegen Frankreich kämpfen. Unterstützt wurde er dabei von den Engländern und den Niederländern. Bekannt ist seine Freundschaft mit John Churchill, Herzog von Marlborough, einem Ahnen des Premierministers Winston Churchill, mit dem zusammen er die Franzosen und Bayern in der großen Schlacht von Hochstaedt entscheidend besiegte. Habsburg und der Prinz wurden aber nur so lange von den Briten und Niederländern gefördert, bis die Vormacht Frankreichs auf dem Kontinent zurückgedrängt war.

Dass der jüngste deutsche Volksstamm, die Donauschwaben und die letzte große Ostkolonisation des Reiches überhaupt entstehen konnten, verdankt man der risikoreichen und trotzdem genialen Führungskunst des Prinzen in seinem letzten großen Krieg gegen die Türken. Aus dieser Zeit stammt das bekannte „Prinz-Eugen-Lied". Am Feste Maria Schnee, dem 5. August 1716, schlug Eugen die Türken bei Peterwardein. Im Zelt des Großwesirs schrieb er den Siegesbericht an den Kaiser. Der Kaiser sandte das Original an Papst Clemens XI., mit dem er während der italienischen Kriege in Streit gelebt hatte. Eugen hatte vermittelt und die drohende Exkommunikation Kaiser Karls VI. abgewendet. Nunmehr wurde in der Kirche Santa Maria Maggiore zu Rom das große Dank-Hochamt gefeiert, weil man den an ihrem Festtag gelungenen Sieg Maria zuschrieb. Kaiser und Papst versöhnt - die Türken besiegt. Sicher einer der Höhepunkte im Leben des kleinen Savoyers. Er empfing vom Papst in Raab einen geweihten Hut und einen Degen. Der Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn dürften aber die Eroberung von Temeschburg 1716 und schließlich der verwegene Sieg von Belgrad 1717 gewesen sein.

Die Schlacht von Belgrad bildet einen Berührungspunkt zwischen der Geschichte Oberösterreichs und jener der Donauschwaben. Da die Festung Belgrad von Save und Donau umflossen war, konnte sie nur von Süden her angegriffen werden. Dafür aber musste die Save oder die Donau überquert werden. Eine Brücke über die Donau östlich der Festung zu schlagen erwies sich als die günstigste Lösung. Für die Brücke verwendete er die beschlagnahmten in der Hauptsache aus Traun und Stadl-Paura stammenden Zillen, die für die Versorgung des Heeres donauabwärts unterwegs gewesen waren. So konnte am 15. und 16. Juni 1717 das 70 000 Mann starke Heer mit „Stuck und Wagen“, - wobei mit „Stuck“ die Artilleriegeschütze gemeint waren – die Donau überqueren und mit der Belagerung der Festung von Süden her beginnen. Da das 150.000  Mann starke türkische Entsatzheer schon bedrohlich nahe gekommen war, musste der Prinz auch gegen Süden hin seinen Belagerungsring durch Laufgräben und Schanzen absichern. Am 28. Juli war die türkische Entsatzarmee angekommen, so dass das kaiserliche Herr zwischen den Festungsmauern und den türkischen Schanzen eingeschlossen war – die Kaiserlichen waren belagerte Belagerer.  Kämpfe und Malaria kosteten vielen Soldaten das Leben. In dieser Situation war das Kriegsglück auf Seiten des Prinzen. Getroffen von einer Mörserkugel flog am 14. August das Pulvermagazin der Festung in einer gewaltigen Explosion in die Luft. Daraufhin befahl der Prinz schon für die Nacht auf den 16. August den Angriff auf die osmanische Entsatzarmee. Ein Nachtangriff war zur damaligen Zeit etwas ganz Neues. Die Überraschung gelang. Bei einem versuchten Gegenangriff der Türken setzte sich Prinz Eugen selbst an die Spitze seiner Kavallerie, und so konnte man den Feind zurückwerfen. Die türkische Armee trat hierauf den Rückzug an. Die Besatzung Belgrads kapitulierte und bekam freies Geleit. Auf all das spielt das Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter“ an.

Eugen - Diener der Reichsidee:

Das Prinzip, nach dem Eugen sein Leben gestaltete, war der Dienst an Kaiser und Reich, so die meisten Historiker. Der Reichsgedanke stand noch in Hochblüte, besonders unter Karl VI., dem letzten Herrscher eines bewussten europäisch-christlichen Universalismus. Auch der Prinz war noch vom Gedanken durchdrungen, dass das Heilige Römische Reich Deutscher Nation eine Mission habe und seine zentrale Stellung gegen die Machtgelüste Frankreichs verteidigen müsse. Hätte das Bündnis zwischen Versailles und der Hohen Pforte in Istanbul nicht bestanden, wäre es wahrscheinlich gelungen, die Türken vom gesamten Balkan zu verdrängen. Dann wäre auch die Geschichte von uns Donauschwaben anders verlaufen - glücklicher, wie wir annehmen dürfen.

Prinz Fugen und der leitende Statthalter des Banates, Graf Claudius Flormund Mercy, sind sich wahrscheinlich nie persönlich begegnet. Es gibt aber Aufzeichnungen, die erweisen, dass Mercy sozusagen die „rechte Hand" des Prinzen bei der Ausführung des Kolonisationsgedankens gewesen ist. „Fest steht, dass Prinz Eugen, ungeachtet der durch den Preßburger ungarischen Landtag 1722/23 ergriffenen Initiative, die treibende Kraft der donauschwäbischen Kolonisation war" (Anton Tafferner, 1986). Eugen ist also einer der „Gründerväter" unseres Volksstammes. Auch daran sollten wir uns dankbar erinnern.

Prinz Eugen - der europäische Humanist:

Vielleicht ist er uns als solcher am wenigsten bekannt. Einer seiner Wesenszüge war seine Menschlichkeit den Kriegsgefangenen, ja selbst seinen Erzfeinden, den Türken, gegenüber. Nicht zuletzt beruhte die Verehrung, die der gemeine Soldat seinem Feldherrn entgegenbrachte, auf diesem seinem Charakterzug. Eugen, so unscheinbar er auch an Gestalt war, konnte sich in Situationen, in denen es erforderlich war, als „Gentleman" erweisen.

1719, nach dem Abschluss des Friedens von Passarowitz, der dem Habsburgerreich endgültig die Herrschaft über das Banat und die Verlegung der Militärgrenze an die Save einbrachte, soll Eugen gesagt haben, dass er sich nun „zu den Musen" zurückziehe. Seine Bibliothek dürfte zwischen 14.000 und 15.000 Bände umfasst haben und wurde später der Grundstock der Österreichischen Nationalbibliothek.

Wenn er auch politisch gegen Frankreich eingestellt war, so war er doch ein großer Bewunderer der französischen Kultur Lind Literatur. Französisch war zumeist auch seine Umgangssprache; auch Italienisch konnte er besser als Deutsch. Die größten französischen Geister seiner Zeit waren seine persönlichen Freunde. Jean Jaques Rousseau, der bekannte französische Schriftsteller Voltaire, der als Aufklärer zum Kirchenhasser wurde, schließlich auch der Staatsphilosoph und Demokratietheoretiker Montesquieu weilten bei ihm in Wien und waren seine Bewunderer, was sich in ihren Hymnen und Oden auf den Feldherrn Eugen niederschlug. Der Umgang mit solchen Freigeistern hinderte ihn nicht, katholischer Christ zu bleiben, wie man aus seinem Verhalten und den Zeugnissen seiner Zeitgenossen ersehen kann. Ein nachweislich gutes Verhältnis hatte der Prinz zu den Jesuiten, diese förderten beharrlich seinen Ruhm. Obwohl an theologischen Streitfragen nicht interessiert, war Eugen theologisch nicht ungebildet. Einer der großen Universalgenies und Philosophen seiner Zeit, Leibniz, schrieb in einem Brief, der Prinz könne über Theologie ungleich besser sprechen als er, Leibniz, über das Kriegswesen.

Zum Abschluss seien die trefflichen Worte unseres donauschwäbischen ungarländischen Landsmannes Dr. Anton Tafferner zitiert: „Aus den Siegen des Feldherrngenies Prinz Eugen sind wir Donauschwaben, um einen bekannten Spruch Stefan Augsburgers zu gebrauchen, als Kinder des Friedens und Helden der Arbeit hervorgegangen. So stehen wir im Schatten dieses universalbegabten und begnadeten Feldherrn, Staatsmannes und Mäzens von Kunst und Wissenschaft. Es ist darum keine billige Phrase, wenn wir behaupten, dass wir im Südosten Europas ein integrierender Teil des von Prinz Eugen geretteten Europas waren. Wenn heute in Politik Lind Publizistik landauf-landab von einem einigen Europa gesprochen wird, so ist es gut, sich daran zu erinnern. Was liegt also näher, als dass allen voran die Donauschwaben berufen sind, das Erbe des Retters Europas vor der Türkenherrschaft zu hüten und zu verkünden. Wir waren in dem von Prinz Eugen geschaffenen Europa bzw. in dessen südöstlicher Ecke ein Ordnungselement. Die Völker Europas und vor allem die Donauschwaben sollten sich nur entblößten Hauptes Lind in Ehrfurcht der Savoyer-Gruft im Wiener Dom nähern."