Totengedenken der Landsmannschaften am Gräberfeld der Heimatvertriebenen im Linzer Stadtfriedhof St. Martin.

Wie jedes Jahr am 1. November trafen die Vertreter und Vertreterinnen der Landsmannschaften zu einer Totenehrung zusammen.

Die Kapelle des Musikvereins Langhozlfeld übernahm die musikalische Gestaltung und eröffnete die Feier mit einem Choral. Frau Cäcilia Klein las ein berührendes Gedicht – Allerseelengedanken. Der evangelische Pfarrer Mag. Gerhard Grager hielt die Andacht. Für die Ansprache war diesmal die Sudetendeutsche Landsmannschaft verantwortlich. Dkfm. Dr. Alfred Oberwandling wies darauf hin, dass den Toten eine Ruhestätte, eine Gedenkstätte in den Orten der ehemaligen Heimat gegeben werden sollte. KsR Pfarrer Herbert Kretschmer sprach einige Gebete und Fürbitten und mit einem gemeinsam gesprochenen „Vater unser“ und dem Segen war der religiöse Teil beendet.

Zu der Melodie „Ich hatt' einen Kameraden“ wurden von den Vertretern und Vertreterinnen Kränze zum Denkmal getragen und dort niedergelegt. Herr Konsulent Michael Stertz, der für die Organisation verantwortlich war, sprach Dankesworte an die Vertreter der Gemeinden und an die Mitfeiernden.

Es war eine beeindruckende Gedenkstunde und durch das warme Novemberwetter konnten viele Heimatvertriebene daran teilnehmen.

Totengedenken der Landsmannschaften vor dem Denkmal der Donauschwaben in Wels "Am Zwinger"

Auszug aus der Ansprache von Dr. Georg Wildmann,

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute!

Vielleicht ergeht es Ihnen wie mir, wenn Sie vor diesem Mahnmal stehen. Man fühlt sich zur nachdenklichen wertenden Betrachtung verhalten und zum Ankämpfen gegen das Vergessen irgendwie innerlich aufgefordert. Die Skulpturen des Mahnmals sind Anlass, an einem geistigen Tun teilzuhaben, das man als kritische Kultur der Erinnerung bezeichnen darf.

1.

Es mag eine größere Anzahl von Deutungen des geschichtlichen Sinns des Heiligen Römischen Reiches geben. Man fragt sich aber, ob nicht die konservativen Denker des 19. Jahrhunderts am meisten Recht haben, wenn sie daran erinnern, dass die größte Kolonisation der Neuzeit in Europa, die Neubesiedlung des pannonischen Raumes, noch ein letztes Mal den Sinn des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verwirklichte: über die engen Grenzen der Nationen hinweg Kultur zu vermitteln, Christlichkeit und Humanität.

Erinnern die genannten Denker doch daran, dass durch dieses kolonisatorische Werk der habsburgischen Herrscher eine altösterreichische pannonische Agrarkultur entstand, die über zweihundert Jahre ihre eigene Gestalt lebte und die es wert ist, der Kulturgeschichte und Volkskunde der Neuzeit erhalten zu bleiben, nicht zuletzt als eine Erinnerung an die weitgehend entschwundene Lebenskunst Alteuropas.

2.

Eine zweite wertende Betrachtung vor diesem Mahnmal.

Die Heimatvertriebenen deutscher Muttersprache haben 1950 in Stuttgart, schon zwei Jahre etwa nach der Auflösung der Lager in Jugoslawien, die Charta der Heimatvertriebenen kundgemacht. Erzbischof  Dr. Robert Zollitsch, der Abstammung nach ein  Donauschwabe, sagte dazu vor einiger Zeit in einer öffentlichen Ansprache:

„Einer tragfähigen Friedensordnung in Europa haben von Anfang an auch die Heimatvertriebenen große Bedeutung zugemessen. Die geistige

Kraft, aus der dies geschah, war in vielen Fällen der christliche Glaube. Dieser Glaube war richtungweisend für die Formulierung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen', die am 5. August 1950 in Stuttgart proklamiert wurde. Im Geist des Evangeliums haben die deutschen Heimatvertriebenen darin ausdrücklich von Rache und Vergeltung Abstand genommen, ohne jedoch auf ihr Heimatrecht zu verzichten.

Und das war gut so. Sie haben auf der einen Seite keinen Hass geschürt und keiner weiteren Gewaltanwendung das Wort geredet. Auf der anderen Seite haben sie klargestellt, dass man das Recht auf Heimat niemals aufgeben kann, ohne die Menschenrechte selbst in Frage zu stellen.

Mit dieser ausgewogenen Position haben sie den Frieden in Europa gefestigt und sind - auch stellvertretend für die Vielen in der Welt, die immer noch verfolgt und ihrer geografischen und geistigen Heimat beraubt werden - unbeirrbar für ein wesentliches Grundrecht des Menschen eingetreten. Sie halten bis heute daran fest, dass Unrecht Un­recht bleibt, ohne sich der Verbitterung auszuliefern.“

 

3.

Eine dritte Erinnerung. Benedikt XVI., der jetzige Papst, hat vor 29 Jahren als Bischof von München/Freising in einer Predigt vor Heimatvertriebenen die Vertreibung als Unrecht an 15 Millionen Menschen deutscher Muttersprache bezeichnet und wörtlich gesagt:

„Die Weltöffentlichkeit hört aus vielen Gründen nicht gern davon, es passt nicht in ihr Geschichtsbild hinein. Sie drängt dazu, dieses Unrecht zu verschweigen, und auch Wohlgesinnte meinen, dass man um der Versöhnung willen nicht mehr davon sprechen solle.  Aber eine Liebe, die den Verzicht auf die Wahrheit voraussetzt, ist keine wahre Liebe. Sie hätte ein schlechtes Fundament. Aus der Psychologie wissen wir, dass Verschwiegenes und Verdrängtes im Menschen weiterwirkt und, wenn es keinen Ausweg findet, zur Vergiftung von innen her wird. Was im Leben des Einzelnen gilt, das gilt auch für die Völker.  Unterdrückte Wahrheiten werden zu gefährlichen Mächten, die den Organismus von innen her vergiften und irgendwo herausbrechen. Nur die Annahme der Wahrheit kann heilen. Liebe braucht Wahrheit und darf nicht ohne sie sein.'"

Das wurde lange Jahre vor dem Zerfall Jugoslawiens und vor dem mörderischen Krieg in Bosnien, lange vor Srebrenica gesagt und hat sich in erschreckender Weise bewahrheitet.   Um der Versöhnung willen auf die Wahrheit nicht vergessen! Man fragt sich einigermaßen betroffen, ob diese Worte heute nicht ebenso aktuell sind wie damals. Jedenfalls sind sie für uns richtungweisend, die wir – wie ich selbst – an einer der Wahrheit verpflichteten Geschichte der Heimatvertriebenen schreiben. -

Durchdachte, auch durchlittene Erinnerungsbilder:

Das Bild vom Wert der pannonischen Besiedlung durch das Reich, das damals formell zu Habsburg gehörte; das Erinnerungsbild vom Wert der Charta für die Wahrung der Menschenrechte; das Bild vom Wert und Gewicht der Wahrheit für die Versöhnung der Völker.

Erinnerungsbilder gegen das Vergessen. Der letzte Feind des Menschlichen, so hat der Denker Walter Benjamin gemeint, ist das Vergessen, ein Feind, so sagt er, „der zu siegen nicht aufgehört hat“.

 

Eine Stunde der Mahnung der Toten

Breitet keinen Schrei nach Rache über diese Stunde, fühlt aber mit uns, den Opfern:

dass das geschichtliche Bewusstsein der Europäer das Unrecht, das unseren Volksstämmen geschah, anerkennen möge; dass diese Passion nicht aus dem Gedächtnis künftiger Generationen entschwinde; dass - wenigstens - durch die geschichtliche Erinnerung allen jenen Rehabilitierung, eine Ehrenerklärung geschehe, die verhungert sind, erschossen wurden oder an Krankheiten elend zugrunde gingen.

Denkt daran, dass die  Reklamierung einer gerechten Behandlung vor dem Forum der europäischen Geschichtsschreibung noch aktuell ist.

Schaut dazu, dass die Geschichte unserer Vertreibung wahr bleibt und kein Zerrbild wird, Zerrbild durch schlichte Unwissenheit der Lehrer, der Medienleute und Politiker, jetzt, nach der Wende, nach 1989, nachdem die Geschichtsfälschung nicht mehr staatlich verordnet wird.

Denkt daran, dass die oft gelobte Integration der Heimatvertriebenen mental - das will sagen: im kollektiven Bewusstsein und in der geistigen Verarbeitung durch Wissenschaft, Kunst und Literatur - nicht abgeschlossen ist.

Gleichzeitig sind wir auch verhalten, aus dem entschiedenen Aufruf, nicht zu vergessen, kein Politikum zu machen. Der emphatische Ruf des Nicht-Vergessens als Mittel, um andere (Nationen, Völker) unter Druck zu setzen und politisch gefügig zu machen.

Vielleicht auch diese Worte als Mahnung unserer Toten.

Totengedenken der Landsmannschaften in Braunau

Wie jedes Jahr so wurde auch heuer  an den

Toten-Gedenktafeln der  HOG Neu Slankamen und aller Donauschwaben in der  Braunauer Kriegergedenkstätte

für die gefallenen Soldaten sowie für die in den jugoslawischen Vernichtungslagern und die durch die Rußland-  und Baragan-Verschleppung ums Leben gekommenen Donauschwaben ein Waldkranz angebracht.