Dreihundert Jahre donauschwäbische Geschichte im Überblick
Oskar Feldtänzer
- Die Besiedlung des mittleren Donauraumes nach den Türkenkriegen.
- Demographische, soziale und religiöse Zustände in den Auswanderungsgebieten
- Lehren der Volkswirtschaft und planungsfreudiger Absolutismus
- Kolonistenschicksal und die Ergebnisse einer konsequenten Siedlungspolitik
- Mangelndes Standesbewusstsein des deutschen Städtebürgertums
- Die Geschicke der Jugoslawiendeutschen in der Zwischenkriegszeit
- Die Jugoslawiendeutschen und der Nationalsozialismus
- Der Völkermord an der deutschen Minderheit Jugoslawiens durch das Regime der Tito-Partisanen
Die Besiedlung des mittleren Donauraumes nach den Türkenkriegen
Nach dem ungarndeutschen Historiker Anton Tafferner vollzog sich die donauschwäbische Geschichte bisher in fünf Etappen
- 1683 – 1806 im Rahmen des alten Reiches, des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
- 1807 – 1867 im Rahmen der österreichischen Gesamtmonarchie
- 1868 – 1918 im Rahmen der Doppelmonarchie bzw. des fast selbständigen ungarischen Königreichs
- 1918 – 1945 im Rahmen der Nachfolgestaaten nach Trianon dreigeteilt (auf Ungarn, Rumänien und Jugoslawien) und auf dem Weg der ethnischen Besinnung, und
- 1945 bis in die Gegenwart nach Völkermord an einem Teil und Vertreibung in weltweiter Zerstreuung
Die aus Südwestdeutschland und Österreich stammenden Menschen, die im Rahmen des von Österreich getragenen größten Kolonisationswerkes der Neuzeit an der mittleren Donau angesiedelt wurden, wuchsen im Laufe ihrer Geschichte zu einer Volksgruppe zusammen, der man mit Recht die Bezeichnung „Neustamm“ zubilligen darf.. Diesen jüngsten deutschen Neustamm, der sich nach Zurückdrängung der Türken in dem zwischen Ostalpen, Dinarischen Alpen und Karpaten eingebetteten Donaubecken, nach kaiserlich gelenkter planmäßiger Ansiedlung ab Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte, nennt die Geschichte und Volkskunde erst seit etwa 1922 „Donauschwaben“.
Das Siedlungsgebiet der Donauschwaben erstreckte sich von der Mündung des Flusses Raab im westlichen Ungarn bis zum Eisernen Tor und den Südwesthängen der Karpaten, wo sie bis zum Ende des II. Weltkrieges in einer Vielzahl von Dörfern und Städten beheimatet waren und mehr als 1,5 Millionen Seelen zählten.
Ethnisch sind die Donauschwaben nach heutigem Forschungsstand zu einem Drittel fränkischer, also pfälzischer und lothringischer, zu einem Drittel bairisch-österreichischer und zu einem Viertel schwäbischer, lothringischer und badischer Herkunft,. während sich der Rest auf andere deutsche Stämme verteilt.
Die Befreiung des Donauraumes von der osmanischen Herrschaft erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte von 1683 bis 1718, als die Pforte nach dem Friedensvertrag von Passarowitz (Požarevac) auch die letzten noch von ihr besetzt gehaltenen Gebiete Ungarns zu Gunsten des Habsburgerreiches aufgeben musste. Die endgültige Bannung der Türkengefahr, die fast 200 Jahre auf Mitteleuropa gelastet hatte, , die Befreiung der Länder des Donauraumes und des Karpatenbeckens hatte den kaiserlichen Soldaten und den Truppenkontingenten aus dem Reich große Opfer abverlangt. Mit ihnen kämpften vor Wien auch die Polen und Litauer des polnischen Königs Johann III. Sobjeski, französische Freiwillige, Spanier, Venetianer und Lothringer, ebenso im späteren Verlauf des großen Türkenkrieges slowenische, kroatische und serbische Grenzer der österreichischen Militärgrenze, aber auch königstreue Madjaren aus dem habsburgischen Ungarn unter Graf Pálffy. Nicht vergessen darf man den großen moralischen, diplomatischen und finanziellen Einsatz Papst Innozenz XI., der innerhalb der 13 Jahre seines Pontifikats sieben Millionen Gulden an „Türkengeldern“ aus den Einnahmen des Kirchenstaates und aus einer Sonderbesteuerung des Kirchendvermögens zur Verfügung stellte. Es ist daher nicht unbegründet, diesen geschichtlichen Ablauf als eine Frucht europäischen Handelns zu werten.
Demographische, soziale und religiöse Zustände in den Auswanderungsgebieten
Dass die kaiserlichen Werber nicht nur in den habsburgischen Vorlanden, sondern im gesamten südwestdeutschen Raum zahlreiche Auswanderungswillige aufbringen konnten, hatte seine Gründe einerseits in den andauernden Franzoseneinfällen, die die Rheingegend verheerten, anderseits aber auch in dem feudalen System der Leibeigenschaft sowie in der religiösen wie sonstigen Bedrückung durch die absolutistisch regierenden Obrigkeiten, hatte doch der Dreißigjährige Krieg ein in 343 souveräne Kleinstaaten und etwa 40.000 weltliche und ebenso viele religiöse Grundherrschaften zerstückeltes Deutsches Reich hinterlassen.
Lehren der Volkswirtschaft und planungsfreudiger Absolutismus
Im Zeichen der merkantilen und späterhin physiokratischen Volkswirtschaftstheorie und eines planungsfreudigen aufgeklärten Absolutismus siedelte im 18. Jh. nicht nur das bahnbrechende Habsburg als Träge der ungarischen Königskrone in den herrenlosen und daher der königlichen Kammer zugefallenen Ländereien Deutsche an, es taten dies auch ungarische Grundherrschaften im Einklang mit den Beschlüssen des Pressburger ungarischen Landtags von 1722/23.Dasselbe taten indes Friedrich der Große in Preußen und Katharina II. in Russland.; sogar im niedergehenden Polen und in der Moldau wurden deutsche Siedler aufgenommen. Dieser deutschen Ostsiedlung der Neuzeit, die sich vom Ende des 17. Jh. über das ganze 18. bis in die Anfänge des 19. Jh. erstreckte, verdanken die deutschen Bevölkerungsinseln an der mittleren Donau, zwischen Karpaten und Ostsee, in Südrussland und an der Wolga ihre Entstehung, während die Siebenbürger Sachsen von den ungarischen Königen schon ab Ende des 12. Jh. ins Land gerufen worden waren.
Die deutschen Siedlungen erwiesen sich als Kernräume christlicher, abendländischer Gesittung; sie waren gleichzeitig Träger abendländischer Ordnung und wurden vorbildlich für die sie umgebenden fremden Völker. Das Leben in geschlossenen Dorfgemeinschaften beugte einem Einschmelzen in fremdes Volkstum vor.
Die kaiserlich gelenkte Ansiedlung von etwa 150.000 bis 200.000 deutschen Kolonisten –mehr Deutsche sind in den Befreiungskriegen gegen die Türken gefallen – im pannonischen Becken verlief ab Ende des 17. Jahrhunderts unter Leopold I. und erreichte unter seinen Nachfolgern eine besondere Ansiedlungsverdichtung unter Karl VI. 1723-1726, Maria Theresia 1763-1773 und Joseph II. 1783-1787, so dass manche Historiker auch von den „drei großen Schwabenzügen“ sprechen.
Kolonistenschicksal und die Ergebnisse einer konsequenten Siedlungspolitik
Statt des vermeintlichen gelobten Landes, wie es ihnen die Werber ausgemalt hatten, erwartete die Einwanderer jenes Siedlungsjahrhunderts, vor allem in dessen Frühphase, auf dem wüsten Boden der ungerodeten Hügelwälder und der sumpfigen Tiefebene ein hartes Leben, das Geschlechter hindurch Anforderungen an sie stellte, denen viele Familien zum Opfer fielen; so bewahrheitete sich jenes Sprichwort, das sagte: „Den ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten erst das Brot“. Doch konnte trotz all dieser Beschwernisse im Laufe der Jahrzehnte eine beträchtliche Steigerung der landwirtschaftlichen und gewerblich-industriellen Produktion und die Vermehrung der steuerlichen Staatseinnahmen als ein positives Ergebnis konsequent verfolgter Siedlungspolitik verbucht werden. Natürlich hatten auch die anderen Völker des Donauraumes ihren angemessenen Anteil an dieser Entwicklung, doch waren die Donauschwaben, wie Ernst Trost sagt, „in dieser vielstimmigen Völkerorgel durch Jahrhunderte der unentbehrliche Blasebalg.“
Von einer Tendenz zu germanisieren, wie zeitgenössische Polemiken gelegentlich meinten, kann bei diesen Siedlungsaktionen Österreichs nicht die Rede sein. Es waren immer Gründe der Zweckmäßigkeit und der Staatsraison, die zur Berufung von Kolonisten, Beamten, Handwerkern (unter der Türkenherrschaft durften nur Türken ein Handwerk ausüben), Facharbeitern und Kaufleuten aus deutschen Territorien führten. So konnte sich die pannonische Tiefebene unter wesentlicher Mitwirkung der donauschwäbischen Kolonisation zur „Kornkammer der Donaumonarchie“ entwickeln, mit einem ergiebigen Getreidebau, dem Anbau von Industrie- und Futterpflanzen, Gemüse, Obst und Wein. Später entwickelten sich verstärkt auch Handwerks- und Industriebetriebe.
Die berufliche Gliederung der Donauschwabe zeigte noch in den dreißiger Jahren des 20. Jh. folgende Schichtung: 45 % Landwirte,, 30 % Arbeiter, 18 % Handwerker, 5 % Kaufleute und Gewerbetreibende sowie 2 % Intellektuelle. Den eingewanderten Landwirten war der Übergang von der ungeordneten Feldgraswirtschaft zu einer geordneten Dreifelderwirtschaft, von einer Viehwirtschaft mit halbwilden Herden auf sumpfigem Steppenboden zu einem modernen Ackerbau zu verdanken.. In rückschauenden Betrachtung waren auch für den Wiederaufbau der Städte, für die Entwicklung von Handwerk, Industrie und Bergbau der Fleiß und die Kenntnisse der Bürger , die von den Habsburgern ins Land gebracht wurden, schlechterdings unentbehrlich. Der Spruch des donauschwäbischen Dichters Stefan Augsburger/Ronay, mit dem er das Wesen seiner Landsleute charakterisierte, behält demnach seine Gültigkeit, wenn es heißt: „Nicht mit dem Schwert, mit der Pflugschar erobert; Kinder des Friedens, Helden der Arbeit“
Mangelndes Standesbewusstsein des deutschen Städtebürgertums
Obwohl das Deutschtum wirtschaftlich und kulturell dominierte, gelang es ihm nicht als eigener Stand im Ständestaat Ungarn anerkannt zu werden. Es fehlte am Standesbewusstsein, weswegen sich das deutsche Städtebürgertum im Verlaufe des 19. Jahrhunderts an den ungarischen Adel, die politisch wie gesellschaftlich ausschließlich führende Schicht des Landes, anschloss. Infolge ihrer eher unpolitischen Lebensart ließen sich die Kulturdeutschen vom stärkeren politischen Willen des adeligen Madjarentums vereinnahmen und in der Folge zu einem großen Teil in das Madjarentum assimilieren.
Auf dem Lande entstand und hielt sich ein freies Bauerntum, das sich einen Freiraum für eine aktive wirtschaftliche Entwicklung schaffen konnte. Es hatte aus seinen Herkunftsgebieten einen sehr ausgeprägten Sinn für die Erschließung und Nutzung natürlicher Fruchtbarkeit mitgebracht. Erst recht in der späteren zweiten Hälfte des 19. Jh. gelang durch die rasche Anwendung neuer technischer Geräte und chemischer Mittel eine gewaltige Produktionsentfaltung und Anhebung des Lebensstandards.
Aus all dem Gesagten ergibt sich für den Rechtsstatus der Donauschwaben, dass sie ein unbezweifelbares „Recht auf Heimat“ in den von ihnen urbar gemachten Siedlungsgebieten besaßen. Sie erwarben ihr Heimatrecht nicht nur gewissermaßen „iure laboris“ (durch Rechtsanspruch Arbeit). Sondern auch durch die juridisch einwandfreie Berufung und Ansiedlung in Ungarn, einem Land, dessen Landesherren die Habsburger auf Grund historisch gültiger Erbfolge-Prinzipien nach der Schlacht von Mohatsch 1527 geworden waren.
Die Geschicke der Jugoslawiendeutschen in der Zwischenkriegszeit
Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges wurde das donauschwäbische Siedlungsgebiet durch die Siegermächte gegen den Willen der Deutschen auf die drei Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien aufgeteilt – eine „Friedensordnung“, die den Keim des Zweiten Weltkrieges in sich trug. Von 1919 – 1945 waren die Donauschwaben ein Volk in drei Vaterländern, lebten staatstreu und volkstreu; namentlich in den Dörfern bewahrte sich ihre vornehmlich fränkisch-alemannische Identität. Eigenart und Strukturen ihrer religiös, agrarkulturell und natursymbiotisch geprägten Lebenswelt blieben im wesentlichen bis in die späten dreißiger Jahre des 20. Jh. erhalten In den 1919 neuentstandenen Staat Jugoslawien entfielen etwas mehr als eine halbe Million Donauschwaben und etwa 30.000 Untersteirer und Kärntner.
Die in den Pariser Friedensverhandlungen zugesicherten Minderheiten-Schutzverträge wurden wegen ihres unzureichenden Kontrollsystems von den Nachfolgestaaten nicht beachtet, so dass die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien auf sich selbst angewiesen war.
Der 1920 in Neusatz/Novi Sad gegründete „Schwäbisch-Deutsche Kulturbund" diente der Erhaltung und Pflege der die Identität erhaltenden Werte wie Heimat, Muttersprache und Väterglaube. Er sah sich aber in seiner Tätigkeit durch die Verhängung von mehreren Tätigkeitsverboten wesentlich behindert. Die „Partei der Deutschen in Jugoslawien“ deren programmatischer Wahlspruch lautete: „Volkstreu und Staatstreu“, war bestrebt, im Belgrader Parlament, wo sie zeitweilig einen eigenen Klub bilden konnte, die Volksgruppenrechte der deutschen Minderheit zu wahren und setzte sich angesichts der restriktiven Schulpolitik Belgrads besonders für die Aufrechterhaltung bzw. Schaffung von deutschen Schulen ein. Erst 1929 in der Zeit der anbrechenden Königsdiktatur erfolgte die Genehmigung zur Errichtung der „Deutschen Schulstiftung“ mit der Berechtigung aus eigenen Mitteln eine Deutsche Lehrerbildungsanstalt und Mittelsschulen zu errichten, deren Verwirklichung aber noch fast ein Jahrzehnt in Anspruch nahm.
Die erste Hälfte der dreißiger Jahre des 20. Jh. für die Geschichte der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien auch insofern eine „Schlüsselepoche“, als zu dieser Zeit unter einer scheinbar friedlichen Oberfläche der guten Beziehungen zwischen Heimatstaat und einer maßvollen national-konservativen Führung ein tief greifender Generationskonflikt Gestalt annahm, der nicht nur in der unterschiedlichen Ausrichtung zum Deutschen Reich hin bestand, sondern auch in grundlegenden weltanschaulichen Auffassungsunterschieden. Die Kritik am Stil der „Alten Führung“ artikulierte sich ab 1934 in der „Erneuerungsbewegung“ . Diese war zahlenmäßig eher schwach, sie wurde aber von radikal denkenden aktivistischen jungen Intellektuellen angeführt, die von drei in den zwanziger Jahren besonders virulenten Strömungen mitgeprägt waren: von der bündischen Jugendbewegung, von der Sozialbewegung und dem Nationalsozialismus. Eine Reihe der „Erneuerer“, wie sie gewöhnlich genannt wurden, hatte während des Studiums in Österreich und Deutschland nebst dem Einfluss der deutschnationalen Burschenschaften auch eine Begegnung mit dem nationalsozialistischen Gedankengut erfahren. Andererseits schärfte das kapitalismuskritische Gedankengut der Sozialbewegung den Blick für die wirtschaftlich-sozialen Notstände der unteren schwäbischen Volksteile, die sich von den Wohlhabenden eingeengt und von der politischen Führung vernachlässigt fühlten. In den Augen vieler Erneuerer schien der frühe Nationalsozialismus mit seiner starken Betonung der Idee der Volksgemeinschaft, das Gegenstück zur marxistischen „klassenlosen Gesellschaft“ zu bieten und zudem die Werte des „Nationalen“ und „Sozialen“ zu vereinen.
Die Konflikte zwischen den „Erneuerern“ und der national-konservativen Kulturbundführung eskalierten in den dreißiger Jahren, so dass diese aus dem Kulturbund ausgeschlossen wurden.
Die Jugoslawiendeutschen und der Nationalsozialismus
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass Adolf Hitler aufgrund seiner Rassenideologie die Überzeugung hegte, auch über sämtliche Volksdeutsche im Ausland verfügen zu dürfen. Dadurch kam es zum radikalen Bruch mit der bisher gehandhabten deutschen Volkstumspolitik jenseits der Grenzen. Um weitere Spannungen mit deren Heimatstaaten in Südosteuropa zu vermeiden sah Hitler nur einen Ausweg: deren Heimholung ins Reich, um sie dann für seine Siedlungspläne im Osten zu verwenden. Hitler betraute 1936 den Reichsführer-SS Heinrich Himmler mit der Leitung der „Volksdeutschen Mittelstelle“ (VOMI), einem Instrument für die Einflussnahme auf die deutschen Volksgruppen im Ausland. Ab Kriegsbeginn im September 1939 mussten jedoch die Umsiedlungspläne zurückgestellt werden, die auch innerhalb der deutschen Volksgruppe auf heftige Ablehnung gestoßen waren.
In Jugoslawien, und hier vor allem in der Batschka löste die Propagierung der „neuen deutschen Weltanschauung“ durch die Erneuerer eine starke katholische Gegenbewegung in Form eines Auflebens der Katholischen Aktion aus. Ihr theologisch-politischer Wortführer war Pfarrer Adam Berenz, der in seiner Wochenzeitung „Die Donau“ die nationalsozialistische Ideologie bis März 1944 (!) bekämpfte Das erforderte damals viel Mut und war wohl ein Unikum im Einflussbereich des Dritten Reiches.
In Jugoslawien wurde 1939 auf Druck der „Volksdeutschen Mittelstelle“ Dr. Sepp Janko, ein gemäßigter Erneuerer, am 6. August 1939 also nur wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum Obmann des Kulturbundes gewählt. Für ihn lag die entscheidende Idee des Nationalsozialismus in der totalen Gemeinsamkeit seiner völkischen Gruppe auf Grund der gleichen Abstammung und Herkunft. Er war überzeugt, dass die Blutsgemeinschaft mit den Deutschen des Reiches – gewissermaßen naturnotwendig – auch die Schicksalsgemeinschaft mit diesen einschloss: Das Schicksal Deutschlands würde auch das Schicksal der Donauschwaben sein. Nach der Niederlage und der Zerschlagung Jugoslawiens im Aprilkrieg 1941 versuchte er daher die teilautonome Volksgruppe der Westbanater Donauschwaben wirtschaftlich, kulturell und sozial dem reichsdeutschen Standard anzupassen. Auch erschien ihm der Kampf gegen den Bolschewismus als ein deutsches Schicksal, zumal erbeutete Dokumente bewiesen, dass die kommunistische Partisanenbewegung in einem künftigen Jugoslawien die Auflösung und Vernichtung der deutschen Volksgruppe plante.
Der Völkermord an der deutschen Minderheit Jugoslawiens durch das Regime der Tito-Partisanen
Über dem, was in der Nachkriegszeit geschah, über den Opfern des Terrors der Titopartisanen gegenüber allen (darin eingeschlossen sind auch die ideologischen Gegner der Kommunistischen Partisanen des serbischen Volkes selbst), die in irgendeiner Form mit den deutschen oder ungarischen Besatzern zusammen gearbeitet hatten und daher als Verräter galten, lag ein halbes Jahrhundert lang der Mantel des Schweigens, weil sich zu viele Regierungen des Westens nicht die Freundschaft des Titoregimes verscherzen wollten – und weil die Opfer eben „Faschisten“ waren, was immer man darunter verstehen mochte.
Wohl hatte Milovan Djilas 1977 in seinem Buch „Krieg der Partisanen“ mit relativ wenig Distanz von den Racheaktionen berichtet und auch zu erkennen gegeben, wen er dafür verantwortlich hielt: Marschall Tito selbst, Aleksandar Ranković und Mosche Pijade.
Die Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai des Jahres 1945 hatte den Kampfhandlungen ein Ende gesetzt und auch den osteuropäischen Staaten die Befreiung von deutscher Besetzung gebracht. Doch sind alle diese Staaten damals auch wirklich frei geworden im Sinne einer demokratischen politisch-gesellschaftlichen Ordnung? Von den meisten osteuropäischen Staaten kann das angesichts des damals vorhandenen „Eisernen Vorhanges“ leider nicht behauptet werden Und wie stand es um die Unduldsamkeit, war sie mit der Niederwerfung des Deutschen Reiches und seines politischen Systems aus der Welt geschafft? Mitnichten, denn es hat den Anschein, dass sich zunächst nur die Vorzeichen geändert hatten. Waren in der vergangenen Ära die Juden die Verkörperung alles Bösen und die Ursachen allen Übels, so richteten sich in einer Mentalität der Vergeltung und Verteufelung nach 1945 alle Anklagen, Beschuldigungen und Verurteilungen gegen die vermeintlich für alles alleinverantwortliche deutsche Bevölkerung, die unter die Herrschaft der wieder erstandenen osteuropäischen Staaten gefallen war. Vertreibung und Enteignung von mindestens 12 Millionen Menschen aus ihren Heimatgebieten mit unheilvollen Folgen für die Betroffenen forderten schon bald nach Beendigung der Kampfhandlungen erneut unzählige Opfer. Es ist unbestritten, dass unter allen ost- und südosteuropäischen Staaten der deutschen Minderheit im titoistischen Jugoslawien in den Jahren 1944 bis 1948 am übelsten mitgespielt wurde. Keine andere deutsche Volksgruppe hatte im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eine so hohe Opferbilanz zu beklagen. Wieso war es gerade unter dem Titoregime zu dieser verhängnisvollen Entwicklung gekommen?
In weiten Teilen des im April 1941 von der deutschen Wehrmacht niedergerungenen Jugoslawien entbrannte von 1941 bis 1944 ein Guerillakampf der nationalistischen und kommunistischen Widerstandsgruppen gegen die deutschen, italienischen, bulgarischen und ungarischen Besatzungstruppen so wie gegen die Ustascha-Einheiten des neu entstandenen kroatischen Staates. In diesem Kampf, der durch die Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Widerstandsgruppen um die Vorherrschaft in einem neuen Jugoslawien noch verschärft wurde, blieben sich die kämpfenden Parteien in der Härte der Kampfesweise gegenseitig nichts schuldig. Das führte nach Kriegsende zu einer unüberbietbaren Eskalation des Rache- und Vergeltungspotentials der Sieger.
Neben den gegen die in Gefangenschaft geratenen Truppeneinheiten der Ustaschas und Tschetniken, deutschen Soldaten verübten Massaker (geschätzte Zahl der Opfer etwa 100.000) richteten sich die Vergeltungsaktionen in erster Linie gegen die unter die Herrschaft von Titos Partisanenregime gefallene volksdeutsche Bevölkerung - etwa 192.000 mehrheitlich alte Menschen, Kinder und Jugendliche, denen es nicht möglich war, sich der Fluchtbewegung anzuschließen. Zugleich erblickten die neuen Machthaber in der gegebenen Situation eine einmalige Gelegenheit , durch die radikale Eliminierung der deutschen Minderheit im Norden des Landes, die Wojwodina zu einem im nationalistischen Sinne ethnisch reinen Gebiet zu machen. Hinzu kam als Drittes, dass die kommunistische Führung durch die totale Enteignung aller Vermögenswerte der deutschen Volksgruppe die landlosen Kämpfer ihrer Partisaneneinheiten durch Zuteilung von fruchtbarem Ackerland und Häusern aus volksdeutschem Besitz belohnen wollte.
Vorbereitet durch die Proklamation von Jajce des Jahres 1943 wurden durch den Beschluss des AVNOJ (Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens) vom 21.11.1944 in einem außergerichtlichen Verfahren alle Deutschen auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit pauschal zu Volksfeinden erklärt und ihnen alle bürgerlichen Rechte entzogen. Das bedeutete für sie auch den Verlust der persönlichen Freiheit und hatte ihre Internierung in Konzentrations- und Arbeitslagern zur Folge.
Nach den Massakern im Herbst 1944, die 7.000 donauschwäbische zivile Opfer forderten, erreichte die Opferbilanz der deutschen Bevölkerung Jugoslawiens als Folge der unmenschlichen Bedingungen der Internierungslager in den Jahre 1944 bis 1948 das Ausmaß eines Völkermordes. Todesursachen der meisten Lagertoten war die unzureichende Ernährung –man ließ die Inhaftierten einfach verhungern, langsam und gnadenlos – worauf Krankheiten wie Typhus und Ruhr ein Massensterben verursachten. In den Internierungslagern war der Hunger und die Brutalität der Gewalt allgegenwärtig. Die Todessopfer der 167.000 Internierten, die sich an der unteren Zahlengrenze orientieren, wurde mit 48.700 Personen ermittelt. Nimmt man die Zahlen des „Blutigen Herbstes 1944“ so wie die Opfer der Deportation in die Sowjetunion hinzu, wo sie hauptsächlich in den Kohlengruben des Donezbeckens wie Sklaven arbeiten mussten, ergibt sich die Gesamtzahl von 60.000 zivilen donauschwäbischen Todesopfern. Aus diesem Grunde hat die Rede vom Völkermord ihre volle Berechtigung.
Ivan Ivanji, jüdischer Schriftsteller und Publizist aus dem jugoslawischen Banat, der als junger Mann durch das Inferno der Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald ging, wurde nach seiner Heimkehr mit den Verfolgungen der Jugoslawiendeutschen konfrontiert und berichtet darüber folgendes:
„Frau Jost hat mir viel über diese Lager erzählt, die sie als Kind erlebt hat. Sie hat erzählt, wie ein Mädchen besonders schön gesungen hat im Lager und gestorben ist an Hunger und Seuche und wie die Ratten ihre Füße angeknabbert haben. Das wäre im deutschen KZ nicht passiert.
Jetzt kommen meine Überlegungen, was ist schrecklicher? Die Lager in denen die Deutschen im Banat waren, sind nicht vergleichbar mit Auschwitz, Buchenwald und den Gaskammern. Man hat in den Lagern, in denen die Donauschwaben waren, nach der ersten Zeit selten gemordet, oder gar nicht, man hat die Leute verhungern lassen. Im KZ hat man systematisch gemordet. Die Systematik der Gaskammern ist etwas einzigartiges. Wenn ich das gegenüberstelle, wie soll man wählen, was schrecklicher ist?“